Die Gilde der Schwarzen Magier - Die Rebellin - The Black Magician's Guild 1 - The Magician's Guild
»Möglich wäre es zwar, aber ich bezweifle es. Es gilt als äußerst unhöflich und respektlos, zu lauschen - außerdem kostet es eine Menge Konzentration und Anstrengung. Wenn es nicht so wäre, würden uns die Gespräche anderer Leute wahrscheinlich in den Wahnsinn treiben.«
Sonea blickte nachdenklich drein. »Wenn man nur dann etwas hört, wenn man gerade lauscht, woher weiß man dann, wenn ein anderer mit einem reden will?«
»Je näher du einem Magier bist, umso einfacher ist es, den Betreffenden zu hören«, erklärte er. »Wenn du dich mit ihm im selben Raum befindest, kannst du im Allgemeinen die Gedanken auffangen, die er dir sendet. Wenn die Entfernung größer ist, muss der Betreffende zuerst deine Aufmerksamkeit erregen.«
Er legte eine Hand auf seine Brust. »Wenn du zum Beispiel mit mir reden wolltest, während ich mich in der Universität aufhalte, würdest du meinen Namen projizieren. Andere Magier würden das zwar hören, aber sie würden nicht antworten oder ihren Geist öffnen, um das folgende Gespräch zu belauschen. Wenn ich zur Antwort deinen Namen rufe, wirst du wissen, dass ich dich gehört habe, und dann beginnen wir unser Gespräch. Wenn wir begabt und mit der Stimme des anderen vertraut sind, können wir es Dritten erschweren, uns zu belauschen, indem wir die Aussendung unserer Gedanken scharf bündeln, aber über größere Entfernungen hinweg ist das praktisch unmöglich.«
»Hat sich schon mal jemand über diese Regel hinweggesetzt?«
»Wahrscheinlich.« Rothen zuckte die Achseln. »Deshalb darfst du auch nie vergessen, dass man bei der Gedankenrede niemals sicher sein kann, ob man nicht belauscht wird. Wir haben hier ein Sprichwort: Geheimnisse spricht man nicht, man sagt sie.«
Sonea schnaubte leise. »Das ergibt keinen Sinn.«
»Nicht, wenn man es wörtlich nimmt.« Er kicherte. »Aber die Worte ›sprechen‹ und ›hören‹ haben hier in der Gilde eine andere Bedeutung. Obwohl allgemein das Höflichkeitsgebot gilt, ist es erstaunlich, wie häufig die Leute die Entdeckung machen, dass ein streng gehütetes Geheimnis plötzlich zum Gegenstand von Klatsch und Tratsch geworden ist. Wir vergessen häufig, dass die Magier nicht die einzigen sind, die uns hören.«
Interesse leuchtete in ihren Augen. »Ach nein?«
»Nicht alle Kinder, bei denen wir magisches Potenzial entdecken, treten der Gilde bei«, erklärte er. »Wenn es sich bei dem Kind zum Beispiel um den ältesten Bruder handelt, dann könnte er seiner Familie als Erbe vielleicht von größerem Nutzen sein. In den meisten Ländern gibt es Gesetze, die es Magiern erschweren, sich in der Politik zu betätigen. Ein Magier darf zum Beispiel nicht König werden. Aus diesem Grund ist es unklug, einen Magier zum Oberhaupt einer Familie zu machen. Die Gedankenrede ist eine Fähigkeit, die mit dem magischen Potenzial eines Menschen einhergeht. Manchmal, wenn auch nur sehr selten, entwickelt sich bei einem Menschen die Fähigkeit zur Gedankenrede auf natürliche Weise, auch wenn er nicht Magier geworden ist. Diese Personen kann man in der Wahrheitslesung unterweisen, was eine sehr nützliche Fähigkeit sein kann.«
»Eine Wahrheitslesung?«
Rothen nickte. »Natürlich kann man das nicht ohne das Einverständnis des Betreffenden tun, daher ist die Wahrheitslesung nur dann von Nutzen, wenn jemand einem anderen zeigen will, was er gesehen oder gehört hat. Es gibt bei uns in der Gilde ein Gesetz, das Anklagen betrifft. Wenn jemand einen Magier eines Verbrechens bezichtigt, muss der Betreffende sich mit einer Wahrheitslesung einverstanden erklären oder seine Anklage zurückziehen.«
»Das scheint mir nicht fair zu sein«, erwiderte Sonea. »Es war doch der Magier, der etwas Unrechtes getan hat.«
»Ja, aber diese Methode verhindert falsche Anklagen. Der Angeklagte, sei er nun ein Magier oder nicht, kann eine Wahrheitslesung ohne Weiteres verhindern.« Er zögerte. »Eine Ausnahme gibt es allerdings.«
Sonea runzelte die Stirn. »Ach?«
Rothen lehnte sich in seinem Sessel zurück und verschränkte die Finger. »Vor einigen Jahren wurde ein Mann in die Gilde gebracht, der im Verdacht stand, einige besonders grausame Morde begangen zu haben. Der Hohe Lord - unser Anführer - hat seine Gedanken gelesen und seine Schuld bestätigt. Es bedarf großer Begabung, um an den Blockaden in einem widerstrebenden Geist vorbeizukommen. Akkarin ist der Einzige von uns, dem das gelungen ist, obwohl es auch in der Vergangenheit schon Magier
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