Die Gilde von Shandar: Die Spionin
widerstanden hatten. Als er so über das Tal blickte, fiel es dem Kaiser nicht schwer, das zu glauben.
Als General konnte Surabar die Vorteile, die die Anlage auf dem Hügel zur Verteidigung bot, gut beurteilen. Solch einen Vorteil besaß Shandrim, die Hauptstadt von Shandar, nicht. Erst vor ein paar Monaten hatte Surabar überlegt, was für eine Streitmacht man wohl benötigte, um seine Heimatstadt einzunehmen. Es war eine interessante Übung für militärische Planung und Strategie gewesen und so etwas hatte Surabar schon immer Spaß gemacht. Doch die Schlüsse, die er daraus gezogen hatte, waren deprimierend gewesen. Hätte er wählen müssen, welche der beiden Städte er verteidigen müsste, hätte er Mantor, ohne zu zögern, den Vorzug vor Shandrim gegeben.
Gerüchte und Vermutungen rankten sich auch um die shandesische Invasionsarmee, die nach Thrandor eingedrungen war. Diese Streitmacht war ebenfalls geschickt worden, um Mantor einzunehmen, doch man sagte, dass die Legionen nie auch nur in die Nähe der thrandorianischen Hauptstadt gekommen wären. Die Gerüchte, die Surabar von den shandesischen Truppen vernommen hatte, sprachen vom Betrug eines Magiers. Es hieß, dass man sie getäuscht und zu einem Angriff auf eine Stadt namens Kortag weit im Süden verleitet hätte. Surabar hatte gehofft, dass Femke etwas über das Schicksal dieser Armee in Erfahrung bringen konnte, doch solange sie nicht von den Morden im Palast freigesprochen wurde, musste er sich nach anderen Informationsquellen umsehen. Er hoffte, bald die Wahrheit zu erfahren.
»Es sieht beeindruckend aus«, stimmte Surabar zu. »Kommt, lasst uns den Herrscher dieses Landes treffen und zusehen, dass wir wieder eine nachbarschaftliche Beziehung aufbauen können.«
Es war nur ein kurzer Ritt durch das Tal und zu den Stadttoren hinauf. Surabar ritt schweigend und merkte sich die Details. Unablässig ging sein Kopf hin und her, während er immer wieder erwog, wie er einen Feldzug gegen so einen Ort führen würde. Doch nicht sein ganzes Denken war auf militärische Strategien ausgerichtet. So bemerkte er, dass im Tal mit erheblichem Aufwand eine große Siedlung wiederaufgebaut wurde. Viele Gebäude waren vom Feuer zerstört worden, das wahrscheinlich die terachitischen Nomaden bei ihrem Angriff im vorigen Jahr entzündet hatten.
In den vergangenen Monaten waren viele Gebäude wiedererrichtet worden, doch Surabar fragte sich, warum man scheinbar nicht versuchte, die neuen Bauten so zu konstruieren, dass sie besser verteidigt werden konnten. Offensichtlich erwartete der König von Thrandor in der näheren Zukunft keine marodierenden Armeen mehr vor seiner Tür, aber er hätte besser daran getan, weiter vorauszuschauen und für die kommenden Generationen weniger angreifbare Häuser bauen zu lassen.
Aber wer bin ich, dass ich die Weisheit des Königs von Thrandor anzweifle?, dachte Surabar ergeben, als er diese Überlegungen anstellte. Ich selbst bin erst kaum einen Monat lang Kaiser, und schon stelle ich die Handlungsweise von jemandem infrage, der seit Jahrzehnten König seines Landes ist. Allerdings bin ich schon genauso lange Legionskommandeur, wie Malo regiert. Ich weiß zwar nicht viel von Diplomatie oder dem Wohl einer Nation, aber ich kenne mich mit Verteidigung und allgemein mit militärischen Angelegenheiten aus. Wäre ich König dieses Landes, würde ich mich in dieser Sache nicht dem Druck der Öffentlichkeit beugen. Hier verschwendet man beim Wiederaufbau Energien zugunsten reiner Sentimentalität.
Als Surabar mit seinen Leuten ankam, öffneten sich die großen Stadttore und eine stattliche Anzahl thrandorianischer Soldaten ritt ihnen entgegen. Die Kavallerie richtete sich mit beeindruckender Geschwindigkeit aus und hatte innerhalb einer Minute eine Verteidigungslinie vor den Toren errichtet. Kaiser Surabar hob die Hand und seine zwei Dutzend Reiter hielten an. Sie behielten absichtlich ihre Reiseformation bei, um unnötige Provokationen zu vermeiden.
Ein einzelner Reiter in der schwarz-silbernen Uniform der königlichen thrandorianischen Garde ritt der Kolonne entgegen. Mit stolzem Schritt tänzelte das Pferd des Gardisten vor und hielt ein paar Meter vor dem Kaiser an. Der Soldat trug den Knoten eines Hauptmanns auf der Schulter. Surabar lächelte, als er seinen angespannten Gesichtsausdruck bemerkte.
»Seine Majestät, der König von Thrandor, entbietet Surabar, Kaiser von Shandar, seine Grüße. Euer Kaiserliche Majestät und Eure
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