Die Gilde von Shandar: Die Spionin
überstürzt zu handeln.
»Was hast du vor? Sollen wir an unserem ursprünglichen Plan festhalten?«, fragte er. »Es gibt keinen Grund, es nicht zu tun.«
»Nun, wir müssen ihn überdenken«, antwortete Femke. »Wir müssen unseren Plan an die neue Situation anpassen, aber nur geringfügig. Im Grunde bleibt alles beim Alten.«
»Was ändert sich?«
»Nicht was, wer«, erklärte Femke grimmig. »Shalidar ist nicht unser Mörder.«
»Was? Aber Danar …«
»Wurde von Shalidar ermordet, ja«, unterbrach ihn Femke. »Aber Anton und Dreban hat Shalidar nicht umgebracht.«
»Aber alles wies doch auf ihn hin! Wenn es nicht Shalidar gewesen ist, wer war es denn dann?«
Femke erzählte es ihm und Reyniks Blick weitete sich erschrocken.
»Bist du da sicher?«, fragte er ungläubig. »Der Kaiser kann jederzeit in den nächsten Tagen eintreffen. Wenn du unrecht hast oder der Plan nicht funktioniert, dann gibt es keinen Ausweg für dich.«
»Ich bin ganz sicher. Es gibt nur einen Weg, es herauszufinden …«
»Und der hängt davon ab, dass König Malo bereit ist mitzuspielen und dass der Mörder in die Falle geht. Es gibt immer noch eine Menge Variablen und vieles kann schiefgehen, Femke. Wie sollen wir beide überwachen? Ich nehme an, wir sind auch immer noch hinter Shalidar her?«
»Oh ja. Nichts wird mir größeres Vergnügen bereiten, als ihn an die Wand des Gerichtshofes zu nageln. Soll nur jemand versuchen, mich daran zu hindern …«
»Lass uns den Plan noch einmal durchgehen«, schlug Reynik vor. »Ich meine, ich will nicht respektlos gegenüber Danar sein, aber wir müssen alles sorgfältig überdenken, bevor sein Tod bekannt wird. Der König kann jederzeit wieder mit ihm sprechen wollen. Wir müssen darauf vorbereitet sein.«
»Ich weiß«, seufzte Femke traurig. »Also dann, von Anfang an …«
König Malo kehrte von seinem Spaziergang im Schlosspark in sein Arbeitszimmer zurück und rief augenblicklich nach Krider. Als der alte Mann kam, bat Malo ihn, bei der nächsten Gelegenheit Lord Danars kleinen Diener zu ihm zu bringen.
»Versuch, ihn herzubringen, ohne dass Lord Danar es erfährt. Ich bin sicher, dass es dem shandesischen Botschafter nicht gefallen wird, wenn ich seinen Diener allein vernehme, ohne ihn darüber zu informieren, aber das ist mein Problem. Ich glaube, der Junge hat den Schlüssel zu den Morden. Um festzustellen, ob ich damit recht habe, muss ich eine Weile mit ihm ungestört reden können.«
»Sehr wohl, Euer Majestät, ich werde dafür sorgen«, sagte Krider. »Ist sonst noch etwas, Euer Majestät?«
»Nein, danke, Krider. Ich vertraue deiner Diskretion in dieser Angelegenheit. Bitte lass verkünden, dass mir jeder, der in den letzten Wochen etwas Ungewöhnliches bemerkt hat, davon berichtet. Die Morde an Anton und Dreban sowie die anderen merkwürdigen Geschehnisse haben ein gemeinsames Ziel. Der Kaiser von Shandar wird bald ankommen. Ich muss herausfinden, wie all die Ereignisse zusammenhängen, sonst könnten Thrandors zukünftige Beziehungen zu Shandar irreparablen Schaden nehmen.«
»Ich verstehe, Euer Majestät. Ich kümmere mich darum.«
Der alte Mann verneigte sich steif und zog sich zurück. Malo lächelte zärtlich, als sich die Tür hinter dem Leiter des königlichen Personals schloss. Krider hatte schon im Palast gedient, lange bevor Malo den Thron bestiegen hatte. Zusammen mit Veldan, dem obersten Kammerherrn, sorgte er seit Jahrzehnten dafür, dass das Leben im Palast reibungslos verlief. Malo vermutete, dass die beiden alten Männer die Belastungen der letzten Wochen ebenso spürten wie er, doch zu ihren Gunsten ließ sich sagen, dass sie es sich in keiner Weise anmerken ließen. Sie waren so ruhig und zuverlässig wie immer.
Malo wagte gar nicht, daran zu denken, was sein würde, wenn die beiden in den Ruhestand traten, aber er vermutete, dass sie das nie tun würden. Sie hatten immer miteinander gewetteifert, welche ihrer Familien längere Zeit im Dienst der königlichen Familie stand. Malo nahm an, dass keiner von ihnen als Erster aufhören wollte, daher würden sie weiterarbeiten, solange sie sich auf den Beinen halten konnten.
Obwohl Krider sehr kompetent war, war Malo doch überrascht, als es nur zwanzig Minuten später an seine Tür klopfte und der kleine shandesische Diener hereingeführt wurde. Zu Malos noch größerem Erstaunen wirkte der Junge nicht im Mindesten ängstlich, mit dem König allein gelassen zu werden. Entweder hatte er viel Zeit
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