Die Gilde von Shandar: Die Spionin
Männer sind herzlich eingeladen, den Palast zu besuchen, doch aufgrund der letzten Ereignisse besteht der König darauf, dass Ihr durch die Stadt Geleit erhaltet. In Mantor herrscht zurzeit eine gewisse Feindseligkeit Fremden gegenüber. König Malo möchte vermeiden, dass sich die Lage zwischen unseren Nationen durch fehlende Vorsichtsmaßnahmen gegen mögliche Unruhestifter weiter verschlechtert.«
»Euer König ist sehr weise«, gab Surabar zurück. »Wir fühlen uns durch die Eskorte geehrt, Hauptmann. Reitet voraus.«
Der Hauptmann verneigte sich im Sattel und wendete sein Pferd, um sie in die Stadt zu führen. Surabar gab den Shandasiern ein Zeichen, ihm zu folgen. Wieder reagierte die thrandorianische Kavallerie auf die Kolonne präzise und diszipliniert, bildete zuerst eine Vorhut und reihte sich dann entlang den Besuchern auf, wobei sie hohes reiterisches Können demonstrierte.
Wenn die so gut kämpfen, wie sie exerzieren, dann ist es kein Wunder, dass sich die Legionen einem so starken Feind gegenübersahen, dachte Surabar, als er unter dem Torbogen nach Mantor hineinritt. Die große Frage ist jedoch, wie werden wir im Palast empfangen werden und was ist mit Femke, Danar und den anderen geschehen?
Als er in die Stadt kam, hatte der Kaiser unwillkürlich ein Gefühl wie ein Kaninchen, das sich in einen Fuchsbau wagt.
Reynik wurde zusammen mit Kalheen, Phagen und Sidis in den königlichen Gerichtssaal eskortiert und zu Plätzen in der ersten Reihe geführt. Die Wachen, die sie begleiteten, stellten sich in der Nähe auf. Ob es zu ihrem Schutz geschah oder um sie zu beaufsichtigen, war nicht ganz klar, aber auf jeden Fall blieben sie wachsam. Reynik war angespannt. So viele Dinge konnten hier schiefgehen. Der Plan, den Femke ausgeheckt hatte, war äußerst riskant, aber sie hatten keine große Wahl gehabt.
Der königliche Gerichtshof war ein großer rechteckiger Saal mit gestaffelten Sitzreihen, die in Form eines Dreiviertel-Ovals angeordnet waren. Der Thron des Königs befand sich an der Wand gegenüber dem Haupteingang. Auf ihn waren die Stühle ausgerichtet. Die Sitzreihen vermittelten trotz der rechtwinkligen Wände den Eindruck einer Kreisform. Die Stühle im Stil eines Amphitheaters waren so angeordnet, dass sich die obersten Reihen etwa auf zwei Drittel der Wandhöhe befanden. Zusätzlich zu den drei großen Kandelabern mit Fackeln, die vom Mittelbalken herabhingen, spendete ein halbes Dutzend Fenster auf jeder Seite Licht.
Heute war der Königsthron zur Seite gerückt und ein zweiter, ebenso prachtvoller, wenn auch vielleicht etwas niedrigerer Thron an seiner rechten Seite aufgestellt worden. Das hatte man in Thrandor noch nie erlebt.
Während die Leute hereinkamen und ihre Plätze einnahmen, betrachtete Reynik sorgfältig die Gesichter. Da der Gerichtssaal schon halb voll gewesen war, als er gekommen war, konnte sich Shalidar überall aufhalten. Gleichzeitig machte Reynik sich ein Bild von der Verteilung der Gardisten sowie der verschiedenen Fluchtwege aus dem Gerichtssaal. Es gab mehr mögliche Ausgänge, als ihm lieb war. Er konnte sie nicht alle überwachen – besonders da seine Wächter versuchen würden, ihn aufzuhalten, sobald er sich rührte.
Reynik und Femke hatten bereits die Fenster an den beiden Längsseiten des Gerichtssaales überprüft. Die Wand hinter den Fenstern auf der linken Seite fiel etwa zwanzig Fuß senkrecht ab, doch die Fenster zur rechten Seite gingen auf das Dach eines niedrigeren Teils des Palastes hinaus und boten jemandem, der eilig den Gerichtssaal verlassen wollte, eine Fluchtmöglichkeit.
Reynik war froh, mehrere Angehörige der königlichen Garde an den Fenstern auf der rechten Seite stehen zu sehen, hatte jedoch nicht viel Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Unglücklicherweise machte es das für diese Jahreszeit ungewöhnlich warme Wetter notwendig, dass die oberen Fenster weit geöffnet waren. Er wusste, zu was Shalidar fähig war, und kannte die durchschnittliche Geschicklichkeit der Wachen. Wenn es sein musste, würde der Killer durch sie hindurchfegen wie eine Sense am Erntetag. Wachen waren zwar besser als keine Wachen, aber Reynik hätte viel darum gegeben, ein paar kaiserliche Legionäre oder Spione an strategisch günstigen Positionen zu haben. Wenn es Ennas nur gelungen wäre zu fliehen, dachte er trübsinnig. Ein weiterer wirklich zuverlässiger Verbündeter wäre sehr viel wert gewesen.
Als Shalidar eintrat, blickte er wie zufällig zu Reynik
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