Die Gilde von Shandar: Die Spionin
kannte den Aufenthaltsort seines nächsten Opfers genauestens, sonst hätte er den Mord nicht durchführen können. Wie die Sache lag, bestand ein beachtliches Risiko, doch das ließ sich nicht vermeiden. Sein derzeitiger Arbeitgeber, Kommandeur Vammus, wusste zu viel über seine letzten Aktivitäten. Wenn der General ihn bedrängte, dann würde der Kommandeur auspacken, da war sich Shalidar sicher. Vammus hatte zwar nichts getan, aber in Shalidars Augen war er überflüssig – eine gefährliche Informationsquelle, die er loswerden musste, bevor General Surabar eine Chance bekam, ihn zu fassen zu bekommen. Das war keine Frage von Gewissen oder Bedauern. So war das Geschäft. Es gab nur ein kleines Problem. Der Kommandeur hielt sich mit den anderen obersten Befehlshabern in der Residenz des Generals auf.
Er würde nur eine einzige flüchtige Gelegenheit für den Anschlag haben. Die Kühnheit seines Vorhabens zauberte ein raubtierhaftes Lächeln auf Shalidars Lippen, als er sich vorstellte, wie seine Kollegen das sehen würden: ein Anschlag mit allen Voraussetzungen dafür, eine Legende zu werden. Er zog den rechten Ärmel zurück und betrachtete das stilisierte Bild eines Drachen auf seinem Silberarmreifen. Ja, dachte er. Es war ein Mord, der des Drachen würdig war.
Shalidar kannte keinen anderen Attentäter, der es wagen würde, ohne genauen Plan am helllichten Tag in General Surabars Haus einzudringen, einen seiner Kommandeure zu töten und dann auch noch darauf zu bauen davonzukommen. Doch Kommandeur Vammus hatte beides möglich gemacht, und sogar geradezu einfach, indem er es so eingerichtet hatte, dass er das Zimmer bewohnte, in das man am leichtesten unbemerkt hineinkommen konnte. Das hatte er getan, um sich leichter mit Shalidar an einem Ort treffen zu können, an dem niemand zwei Verschwörer vermuten würde. Wenn alles gut ging, dann würde das doppelte Spiel des Kommandeurs ihm zum Verhängnis werden.
Shalidar näherte sich dem Gebäude durch die Gasse, die zwischen der Residenz des Generals und dem nächsten Haus verlief. Da niemand zu sehen war, kletterte der Attentäter schnell über die Gartenmauer, nicht ohne vorher hinüberzusehen und sich zu vergewissern, dass auch im Garten niemand war, bevor er sich ganz hinaufzog. Auf dieser Seite des Hauses gab es nur ein kleines Fenster, und Shalidar schätzte das Risiko, dass gerade jetzt jemand hinaussah und ihn bemerkte, als sehr gering ein.
Von der Gartenmauer aus war der schmale Sims, der sich um das ganze Haus herumzog, nur noch einen großen Schritt weit entfernt, und bei Tageslicht war der Sprung leicht. Ohne zu zögern, sprang Shalidar hinüber, wohl wissend, dass der Erfolg jetzt von Geschwindigkeit, Geräuschlosigkeit und einer guten Portion Glück abhing.
So schnell er konnte, glitt der Attentäter den Sims entlang und um die schwierige Ecke zur Hinterseite des Hauses herum. Dort richtete sich Shalidar auf und tastete nach dem Sims unter dem Fenster des Kommandeurs. Seine Finger fanden Halt und er zog sich hinauf. Als er hoch genug war, verlagerte er das Gewicht auf einen Unterarm. Kommandeur Vammus war allein und kratzte angestrengt mit einer Feder auf einem Blatt Pergament. Er war so in seine Arbeit vertieft, dass er Shalidar nicht bemerkte, bis dieser leise das Fenster öffnete.
Der Kommandeur riss erstaunt die Augen auf.
»Sha…«, begann er überrascht und wollte aufstehen.
Shalidars Blick ließ den Namen auf seinen Lippen ersterben. Der Attentäter legte einen Finger an die Lippen, als er geräuschlos zu Boden sprang, und wies auf die Tür. Wie erwartet wandte Vammus unwillkürlich den Kopf, um in die Richtung zu sehen, in die Shalidar gedeutet hatte. Diesen Moment nutzte der Mörder, um dicht hinter ihn zu treten und dem Ahnungslosen mit einem geübten Griff und einer Drehbewegung in einer einzigen schnellen Bewegung das Genick zu brechen.
Stolpernd versuchte Shalidar zu verhindern, dass Vammus zu Boden fiel, und fluchte insgeheim, dass der Kommandeur sich nicht in Form gehalten hatte. Sein früherer Auftraggeber war so übergewichtig, dass er Mühe gehabt hätte, einen Infanterie-Feldzug zu führen. Es erstaunte Shalidar, dass ein General vom Ruf Surabars einen Offizier wie Vammus unter seinem Kommando duldete. Fett und inkompetent, dachte Shalidar mit einer Grimasse. Hätte Vammus nicht wertvolle Informationen gehabt, dann wäre Surabar ihm wahrscheinlich dankbar dafür gewesen, dass er ihn getötet hatte.
Vorsichtig, um keinen
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