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Die Gilde von Shandar: Die Spionin

Die Gilde von Shandar: Die Spionin

Titel: Die Gilde von Shandar: Die Spionin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Robson
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hätte, dann wäre die Sache wenigstens nicht noch schlimmer geworden. Ich ziehe scheinbar das Unglück an wie Motten das Licht.
    Vor ihr lag im Schatten drei nebeneinanderstehender großer Bäume die Mauer zum Nachbargarten. Femke dankte im Stillen dafür, dass sie nicht hoch war. Sie konnte sie geräuschlos und ohne Schwierigkeiten überwinden, ohne ihrem zerschlagenen Körper weitere Schmerzen zufügen zu müssen. In ihrem Kopf verrann wie in einer Sanduhr die Zeit, die ihr noch blieb, bis die Soldaten die Leiche des Grafen finden würden. Es war nicht mehr viel, aber Femke wusste, dass ihre Chancen, unbemerkt aus dem Anwesen des Grafen zu entkommen, im Dunkeln wesentlich besser standen.
    Sie duckte sich in den Schatten an der Mauer und lief leise durch den Garten und an der Wand des angrenzenden großen Hauses entlang. Vor allen Fenstern waren die Vorhänge zugezogen, aber die Erfahrung sowie das Pech, das sie in letzter Zeit hatte, ließen sie kein Risiko eingehen, von drinnen gesehen zu werden.
    An einigen Stellen, wo die Vorhänge nicht ganz geschlossen waren oder an den Seiten nicht bis zur Wand reichten, drang Licht hinaus. Im Vergleich zur tiefen Finsternis im Keller erschien es Femke geradezu grell. Da sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erlag sie nicht der Versuchung hinzuschauen, da sie fürchtete, sonst nicht mehr so gut sehen zu können. Das Licht der Sterne schien hell genug.
    Schnell ging Femke um das Haus herum und kam gerade um die Ecke, als sie Lärm hörte, der ihr anzeigte, dass die Leiche des Grafen entdeckt worden war. Es würden noch ein paar Minuten vergehen, bis die Soldaten das Haus durchsucht und besprochen hatten, was als Nächstes unternommen werden sollte. Dann würden sie nach Verstärkung schicken. Wie schnell die unausweichliche Kette der Ereignisse voranschritt, würde davon abhängen, wer die Männer anführte, die zum Haus gekommen waren. Die Logik sagte ihr, dass der niedrigste Rang, den man zum Haus eines Grafen schicken würde, ein Offizier sein würde. Und wenn das der Fall war, dann konnte sie ziemliches Pech haben, denn Offiziere neigten zu der Meinung, dass sie selbst etwas unternehmen sollten, anstatt um Unterstützung zu bitten. Sie beurteilten die Lage häufig mit gesundem Menschenverstand und organisierten sich schnell. Im Stillen schickte Femke ein Gebet zum Himmel, der Anführer dieser Männer möge keinen gesunden Menschenverstand besitzen. Jetzt zählte jede Kleinigkeit.
    Femke rannte an der Hauswand zur vorderen Ecke des Hauses, wo sie, immer noch im Schatten verborgen, innehielt. Auf der Straße war niemand zu sehen, doch bald würden sich die Vorhänge zu bewegen beginnen. Der erste Aufruhr, den Femke im Haus des Grafen Dreban gehört hatte, war ihr zwar laut erschienen, aber in den anderen Häusern an der Straße war er wohl kaum gehört worden. Wenn sie die Patrouille angeführt hätte, die die Leiche entdeckt hatte, würde sie schnell Männer in die umliegenden Häuser schicken, um nachzusehen, ob dort noch mehr Überraschungen warteten. Außerdem hätte sie die Leute gewarnt, die Türe zu verschließen und vor möglichen Eindringlingen auf der Hut zu sein.
    Sie hatte keine Wahl. Zwischen ihr und der Straßenecke gab es nur wenig Deckung. Die Straßenlaternen schienen hell und beleuchteten alles so, dass jede plötzliche Bewegung stark auffallen musste. Sie konnte nur rennen und das Beste hoffen. Daher ließ sie sich keine Zeit, sich beunruhigende Gedanken zu machen, und rannte zum nächsten dunklen Schatten am Ende der Straße.
    Das Ende der Straße war weiter entfernt, als es von der Hausecke aus ausgesehen hatte. Mit jedem laut hämmernden Schritt, den sie tat, erwartete Femke, Rufe und das Geräusch von Verfolgern hinter sich zu hören, doch es blieb still. Als sie dankbar wieder im Schatten untertauchte, blieb sie einen Augenblick lang stehen. Ihre Brust hob und senkte sich wegen der Kratzer und blauen Flecken schmerzhaft, und das Bein, in das der Hund seine Zähne geschlagen hatte, tat schrecklich weh.
    Femke sah sich um. Irgendetwas stimmte hier nicht. Die Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf, als ob sie ein sechster Sinn davor warnen wollte, dass sie jemand beobachtete – obgleich niemand geschrien hatte und sie offensichtlich nicht verfolgt wurde. Es war ein kribbelndes Gefühl, aber wie sorgfältig sich Femke auch umsah, sie konnte nichts erkennen, was darauf schließen ließ, dass ihre Sinne nicht auf die extreme Anspannung

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