Die Gilde von Shandar: Die Spionin
Problem viel besser lösen können, wenn sie sich in Shandar befunden hätte. Shalidar fühlte sich hier mehr zu Hause als Femke. Der Killer war bestimmt schon früher in Mantor gewesen.
Mit einem heißen Fleischbrot in der Hand ging Femke durch die große Marktstraße und suchte nach passender Kleidung und anderen Accessoires. Alles, was sie brauchte, war im Überfluss da. Sie hätte zehnmal so viel Geld ausgeben können, wie sie besaß, aber sie wusste, dass ihr das bisschen Gold, das sie bei ihrer Flucht aus dem Palast hatte mitnehmen können, lange reichen musste. Es wäre nicht klug gewesen, es gleich am ersten Tag auszugeben. Es bestand zwar immer die Möglichkeit, Geld zu stehlen, aber das barg natürlich ein Risiko.
Es war schon Jahre her, dass sich Femke in ihrer Heimatstadt Shandrim durchschlug, indem sie sich am Geld anderer bediente, doch sie war heute wesentlich geschickter in der Kunst des Stehlens als in jenen schweren Tagen. Femke war vielleicht nicht die beste Taschendiebin von Shandrim gewesen, aber doch zumindest eine der besten. Jahrelang hatte sie gut davon gelebt, Geldbörsen und Schmuck einzusammeln, die sie auf dem Schwarzmarkt verkauft hatte. In dieser Zeit war sie nicht ein einziges Mal geschnappt worden. Doch dann hatte sie sich eines Tages das falsche Zielobjekt ausgesucht und das hatte ihr Leben für immer verändert.
Zurückblickend konnte Femke sagen, dass es der glücklichste Fehler ihres Lebens gewesen war zu versuchen, Lord Ferrand zu bestehlen, denn schließlich war er es gewesen, der sie gelehrt hatte, ihre ungewöhnlichen Fähigkeiten produktiv und legitim einzusetzen. Er hatte sie in der Kunst unterrichtet, eine Spionin zu sein.
Es hatte einige Zeit gedauert – besonders, die Etikette des Adels zu lernen und die Kunst, sich wie eine Hofdame zu benehmen. Doch Lord Ferrand war während ihrer Ausbildung die personifizierte Geduld gewesen und hatte auch in ihren schlechtesten Versuchen, eine neue Fertigkeit zu erlangen, stets noch vermocht, etwas Gutes zu sehen.
Während der ganzen Zeit hatte Femke bei ihrem Meister gewohnt, abgeschnitten von der Außenwelt, bis er der Meinung war, dass sie bereit war. Mit ständiger Ermunterung und Anleitung hatte sich Femke in nicht einmal einem Jahr von einem Straßenkind in eine gebildete und hochtalentierte Spionin verwandelt. Noch nie zuvor in ihrer Kindheit war Femke so frohgemut gewesen. Ihr Zuhause war kein glücklicher Ort gewesen. Daher hatten sie die Beschränkungen, die ihr Lord Ferrand in Bezug auf ihre Freiheit auferlegte, nicht sehr gestört. Sie hatten sie allerdings auch nicht daran gehindert, die Grenzen und Fähigkeiten des Lords zu testen, doch sie hatte schnell erkannt, dass er sehr gut dazu in der Lage war, sie in die Schranken zu weisen. Genau wie er sie dabei erwischt hatte, als sie bei ihrer ersten Begegnung versucht hatte, ihn zu bestehlen, so hatte er sie auch dabei erwischt, als sie sich auf einen heimlichen Ausflug in die Stadt davonstehlen wollte. Ferrands offensichtliche Allwissenheit und seine Warnung, dass er sie wieder auf die Straße hinauswerfen würde, wenn sie noch einmal ungehorsam wäre, waren ausreichend, um sie im Zaum zu halten.
Femke hoffte schwer, dass sie die Angelegenheit in Mantor würde regeln können, bevor sie zum Stehlen gezwungen war, aber es war zumindest beruhigend zu wissen, dass sie nicht verhungern würde – egal was geschah. Sie wusste nun, mit wem sie es zu tun hatte, was ihr die Unsicherheit von gestern nahm. Wenn Shalidar nicht angegeben hätte, hätte sie wahrscheinlich Wochen gebraucht, um herauszufinden, wer hinter der Sache steckte. Shalidar war eine bekannte Größe, daher war es recht einfach zu überlegen, welche Vorsichtsmaßnahmen sie treffen musste, während sie ihre Informationen sammelte.
Die Patrouillen der königlichen Garde waren in den Straßen präsent, aber niemand nahm Notiz von Femke. Die junge Spionin wusste, dass sie in ein paar Stunden völlig unbehelligt in den Straßen würde spazieren gehen können. Wie ein menschliches Chamäleon verschmolz sie einfach mit dem Treiben in der Stadt.
Femke nahm sich Zeit, um sich zwei verschiedene Kostümierungen auszusuchen, und erkundigte sich diskret danach, wer die Uniformen für den königlichen Haushalt im Palast lieferte. Sie erinnerte sich daran, im Palast ein Gespräch zweier Diener mitangehört zu haben. Eine der älteren Dienstmägde würde in Kürze in den Ruhestand treten. Diese Information konnte sich noch
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