Die Gilde von Shandar: Die Spionin
bleiben, als den Wunsch des Kaisers zu erfüllen.
Danars Vater verstrickte sich in Pläne, die dazu führen konnten, dass er gehängt wurde. Da der Kaiser das offenbar wusste und ihn rechtzeitig gewarnt hatte, konnte Danar das nicht ignorieren. Plötzlich wurde ihm die Verantwortung bewusst, die sein Alter und die Position seiner Familie mit sich brachten. Er musste schnell handeln, um den Ruf seiner Familie zu wahren, aber er war weit davon entfernt, Lady Alyssa aufzugeben. Wenn es das war, was den Kaiser dazu bringen konnte, ihm bei seiner Suche zu helfen, dann musste es eben sein, entschied er.
König Malo war von seinen Gefühlen überwältigt. Er schwankte stark zwischen Zorn und Trauer und konnte sich nur schwer dazu bringen, rational zu denken.
»Warum sollte der Kaiser von Shandar einen Auftragsmörder schicken, um Anton zu töten?«, fragte er in den leeren Raum hinein, in dem er auf und ab schritt. »Die Verkleidung der Botschafterin war so perfekt, dass sie auch mich hätte genauso leicht niederstrecken können wie Anton, also warum ihn?«
Auch ohne die Trauer, die ihm den ganzen Tag lang die Tränen in die Augen trieb, war die Lage verwirrend genug. Antons Tod machte einfach keinen Sinn, wenn ein Mörder auch den König hätte töten und das Land in neues Chaos stürzen können. Es war vielleicht möglich, dass der Kaiser Anton als die wahre treibende Kraft hinter den militärischen Siegen Thrandors in der letzten Zeit betrachtete, aber das sollte ihn auf einer feindlichen Liste als Zielperson noch nicht über den König stellen.
Und nun schuf der Tod von Graf Dreban neue Verwirrung. War es ein weiterer Auftragsmord oder war Dreban schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen? Es gab keine offensichtlichen Verbindungen zwischen den Interessen von ihm und Anton und es gab kaum zwei Männer mit unterschiedlicheren Ansichten bezüglich politischer und gesellschaftlicher Fragen. Den Tod des Grafen würde Malo nicht betrauern, aber er würde beim Kaiser von Shandar schärfsten Protest einlegen. Was auch immer der Grund für die Morde gewesen sein mochte, Botschafterin Femke hatte eine Menge Fragen zu beantworten. König Malo war entschlossen, sie finden und vor ihn bringen zu lassen, damit er ihr diese Fragen persönlich stellen konnte.
»Krider!«, rief er laut. »Krider, kommt sofort hierher!«
Fast augenblicklich öffnete sich die Tür und der alte Diener trat leise ein. Auch Kriders Augen waren gerötet, weil er vor Kurzem noch geweint hatte, doch er hatte seine Gefühle unter Kontrolle, als er sich steif vor dem König verneigte.
»Ja, Euer Majestät?«
»Holt mir den schnellsten Botenreiter. Ich wünsche, unserem Nachbarn, Kaiser Surabar, einen Brief zu schreiben. Es hat seit über hundert Jahren keinen Auftragsmord mehr in Thrandor gegeben, und ich werde nicht tatenlos zusehen, wie so etwas geschieht. Lasst das beste Pferd im Stall satteln. Der Kaiser soll meinen Brief in einer Woche in der Hand haben.«
»Ja, Euer Majestät, sofort«, sagte Krider und verneigte sich erneut.
Malo wusste, dass es unmöglich war, in einer Woche nach Shandrim zu gelangen, aber er war entschlossen, den königlichen Boten so stark wie möglich anzutreiben. Sobald sich die Tür hinter dem alten Diener geschlossen hatte, ging Malo an seinen Schreibtisch und verfasste seinen Protestbrief. Er hielt mit seiner Sprache nicht hinterm Berg und beschuldigte den Kaiser eindeutig dieser Verbrechen. Als er ihn unterzeichnete, zögerte er. War er zu voreilig? Das war ein Anklageschreiben, das leicht einen Krieg auslösen konnte. »Nein«, entschied er, »die Zeit, Dinge schönzureden, ist lange vorbei. In den letzten Monaten ist ein verrückter Gewaltakt auf den anderen gefolgt. Surabar soll meinen Zorn und meine Trauer über seinen letzten Akt der Aggression ruhig zu spüren bekommen. Ich bin es leid, den schwachen Herrscher eines unbedeutenden Königreiches zu spielen.«
Femke schlug auf dem Boden auf und rollte sich in eine Kampfhocke, mit einem Messer in der Hand, das sie mit voller Kraft zu werfen bereit war. Schnell blickte sie sich im Raum um und stellte fest, dass Shalidar weg war. Wie weit, konnte sie nicht sagen – ihr Gefühl sagte ihr, dass er das Haus verlassen hatte, aber sie wollte lieber kein unnötiges Risiko eingehen. Sie hatte nicht die Absicht, durch die Vordertür hinauszugehen, da es Shalidar zu viele Möglichkeiten geboten hätte, sie davon zu überzeugen, dass sie unrecht hatte.
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