Die Gilde von Shandar: Die Spionin
Stattdessen nahm sie ihren Rucksack, warf ihre Sachen hinein und schlang ihn sich über die Schulter.
Kurz darauf verließ Femke das Haus durch das Küchenfenster. Wie eine Spinne kletterte sie an der Hinterseite des Hauses hinauf und zog sich auf das flache schiefergedeckte Dach. Ihr Körper tat immer noch an verschiedenen Stellen weh, aber im Augenblick schmerzte sie ihre verletzte Berufsehre mehr. Der Killer hatte sie durch seinen lautlosen Angriff im Haus überrascht, und jetzt war sie entschlossen, Shalidar nicht so ohne Weiteres davonkommen zu lassen. Dickköpfige Beharrlichkeit ließ die Spionin Müdigkeit und Schmerz überwinden.
Die Gefährlichkeit ihrer Lage schärfte ihre Sinne, und sie kroch leise aufs Dach hinauf, um die Straße darunter sehen zu können. Eine ganze Minute lang durchsuchte sie die dunklen Ecken und Schatten nach dem Auftragsmörder. In der kurzen Zeit, die sie bewegungslos in der Küche gewartet hatte, konnte Shalidar noch nicht weit gekommen sein, dachte sie, unfähig zu glauben, dass er ihr so leicht entkommen konnte. Er konnte immer noch im Haus unter ihr sein, aber wiederum sagte ihr ihr Bauchgefühl das Gegenteil. Vielleicht hatte er sogar vorausgeahnt, dass sie aufs Dach flüchten würde. Wenn ja, dann würde er sich auf der Straßenseite am Haus aufhalten, damit sie ihn nicht so schnell sehen konnte.
»In Ordnung, Shalidar, wohin bist du gegangen?«, fragte sie sich leise. »Wenn ich du wäre, wohin würde ich dann gehen? Ich glaube, ich würde … nach links gehen.«
Entschlossen rannte Femke tief in der Hocke über das Dach und versuchte, sich so flach wie möglich zu bewegen, um sich nicht als Silhouette gegen die Lichter weiter oben am Berg abzuzeichnen. Sie würde nicht Shalidars Wunsch erfüllen, gleich nach dem Verlassen des Hauses von der königlichen Garde geschnappt zu werden.
Zumindest war Femke jetzt für ihre Flucht passender gekleidet. Mit ihrem sauberen Gesicht und den ordentlichen Haaren würde sie unter Menschen weniger auffallen, aber sie hatte noch nicht die Gelegenheit gehabt, ihr Aussehen stärker zu verändern. Jeder, der eine vernünftige Beschreibung von ihr hatte, würde sie leicht als die shandesische Botschafterin identifizieren können.
Glücklicherweise hatte Shalidar sie erwischt, bevor sie die wenigen Verkleidungsstücke hatte hervorholen können, die in ihrer Tasche waren. Mit ein paar Mundstücken, die die Gesichtsform veränderten, und einer dunklen Perücke anstatt der hellen, die sie gerade trug, würde sie sich von der Beschreibung, die die königliche Garde hatte, stark unterscheiden. Sobald sie an einem sicheren Ort war, würde sie die Verwandlung vornehmen.
Femke erreichte das Ende der Häuserreihe und kletterte wieder zum Dachfirst hinauf. Diesmal sah sie den Killer in der Seitenstraße. Er hatte Gesellschaft. Eine Patrouille der königlichen Garde sprach mit ihm. Seinen Gesten nach zu urteilen, wies er ihnen gerade den Weg zu dem Haus, in dem er Femke zurückgelassen hatte.
»Verdammt, Shalidar, du bist ein aalglatter …«
Femke beendete ihren leisen Fluch nicht, da sie hinter dem Dachfirst in Deckung gehen musste, um nicht von der Patrouille entdeckt zu werden. Langsam und ganz kontrolliert rutschte sie zur hinteren Dachkante hinunter und suchte nach einem guten Weg zurück zum Boden. Die Hausecke erschien ihr geeignet und bot genügend Halt für Hände und Füße.
Innerhalb weniger Augenblicke war sie hinuntergestiegen und in die nahe Straße geschlüpft, in der sie Shalidar und die Patrouille der Garde gesehen hatte. Die Garde war bereits die Straße in die Richtung hinaufgegangen, in die er gedeutet hatte, und Femke konnte gerade noch sehen, wie der Killer etwas weiter den Hügel hinunter um eine Ecke in einer Parallelstraße verschwand. Sie wusste, dass sie äußerst vorsichtig sein musste, wenn sie Shalidar erfolgreich verfolgen wollte. Er würde viele der Tricks anwenden, mit denen Femke zuvor versucht hatte, ihn abzuschütteln, als sie aus dem Haus von Graf Dreban geflohen war. Ihre Erfahrungen mit dem Auftragsmörder sagten ihr, dass er wahrscheinlich auch ein paar Tricks und eigene Fallen auf Lager hatte, die sie noch nicht kannte, daher musste sie doppelt vorsichtig sein.
Shalidar würde erwarten, dass sie ihm folgte, doch plötzlich schoss Femke ein Gedanke durch den Kopf, der das ganze gefährliche Verfolgungsszenario überflüssig machte. Sie erinnerte sich, dass sie an dem Tag, als sie mit ihren vier Begleitern
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