Die Gilde von Shandar: Die Spionin
in Mantor eingetroffen war, jemanden gesehen hatte, der aussah wie Shalidar und der in einem der größeren Häuser etwas weiter oben am Hügel verschwunden war. Femke grinste, denn sie erinnerte sich genau daran, wo das Haus stand.
»Ich wette mein letztes Kupferstück darauf, dass du genau da unterschlüpfst, Shalidar«, murmelte sie fröhlich. »Es ist Zeit, die Regeln ein wenig zu ändern. Wir haben schon zu lange Katz und Maus nach deinen Regeln gespielt. Jetzt kannst du mal eine Weile nach meiner Pfeife tanzen.«
Sorgsam darauf achtend, dass niemand sie sah, lief Femke eine Weile in die entgegengesetzte Richtung von der, in die Shalidar verschwunden war. Dann versteckte sie sich in einer ruhigen Nebengasse tief im Schatten, nahm ihren Rucksack ab und holte ihre Verkleidung heraus. Die Perücke und die Mundstücke würden für diesen Abend ausreichen, entschied Femke zuversichtlich. Morgen früh würde es leicht sein, ihre Ausrüstung an den Marktständen in den Straßen der Unterstadt zu ergänzen. Spätestens am nächsten Mittag würde sie fast völlig unsichtbar sein.
Eine Stunde später legte sich Femke in dem kleinen Zimmer in einem der Gasthäuser der untersten Kategorie in Mantor in das schmale Bett. Trotz der Schmerzen, die ihren Körper marterten, versank sie sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf, sicher, dass sie diese Nacht niemand aufspüren würde.
Die Sonne stand schon mehrere Stunden am Himmel, als sie aufwachte und ihr der Geruch nach Essen, der durch das offene Fenster hereindrang, vor Hunger den Magen zusammenkrampfen ließ. Erst da wurde Femke bewusst, dass sie einen ganzen Tag lang nichts gegessen hatte, was die schreckliche Leere erklärte, die sie verspürte.
Mit einem schmerzlichen Stöhnen rollte sie sich aus dem Bett und richtete sich langsam auf. Es gab keine Stelle an ihrem Körper, die nicht wehtat, aber nachdem sie ein kleines Stück Seife und die Wasserschüssel geholt hatte, die vor ihrer Zimmertür stand, stellte sie erfreut fest, dass die meisten Schmerzen schnell nachließen, wenn sie sich bewegte. Viele ihrer Muskeln waren steif, weil sie sie am Tag zuvor so überanstrengt hatte, aber wenn sie in den nächsten beiden Tagen nichts tat, was sie noch mehr belastete, würden die kleineren Verletzungen, die sie sich bei ihrer Flucht zugezogen hatte, schnell heilen.
Als sie sich vor dem Spiegel die Perücke zurechtzupfte, kam ihr plötzlich der Gedanke, dass es möglicherweise nicht Graf Dreban gewesen war, der in seinem Haus ihren Rucksack durchsucht hatte, wie sie zuerst angenommen hatte, sondern Shalidar. Es hatte keinen Sinn, ein unnötiges Risiko einzugehen, entschied sie. Daher beschloss sie, dass es gleich nach dem Frühstück ihre erste Aufgabe sein würde, sich völlig neue Kleider und noch weitere Dinge zu besorgen, um ihr Aussehen zu verändern.
Es zeigte sich, dass die himmlischen Gerüche nach Essen, die in Femkes Zimmer wehten, nicht aus der Küche des Gasthauses kamen, sondern von einem der Stände draußen auf der Straße. Überall in den unteren Straßen von Mantor drängten sich auf beiden Seiten Buden dicht aneinander. Soweit Femke feststellen konnte, war es ein fast ständig stattfindender Markt. Die ärmeren Händler priesen ihre Waren von grob zusammengezimmerten Verkaufsständen aus in direkter Konkurrenz zu den Läden in den Gebäuden der Straßen an.
An mehreren Ständen gab es belegte Brote. Dicke Scheiben heißen Schweinebratens in fetter Soße zwischen zwei Scheiben frisch gebackenen Brotes waren ein herrliches Mahl. Jeder Verkäufer behauptete von sich, dass seine Soße die beste in Mantor sei. Femke stellte anerkennend fest, dass sie alle die Wahrheit sagten, je nachdem, was man für einen Geschmack hatte.
Sie steckte ihre Sachen in den Rucksack und verließ das Gasthaus, um sich unter das Volk auf der belebten Straße zu mischen. Der Wirt hatte darauf bestanden, dass sie bereits am Abend zuvor ihre Rechnung bezahlte, somit war das schon erledigt. Femke bezweifelte, dass sie in den nächsten Nächten zweimal hintereinander am gleichen Ort schlafen würde. Vorerst war es wohl besser, sich ihre Bleibe nach dem Zufallsprinzip auszusuchen. Tief im Inneren hoffte Femke, dass sie mit ihrer Erfahrung in der Informationsbeschaffung in der Lage sein würde, möglichst schnell genügend Beweise zu finden, um Shalidar festzunageln. Dann konnte sie vielleicht, noch bevor alles außer Kontrolle geriet, den diplomatischen Schaden beheben.
Sie hätte das
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