Die Gilde von Shandar: Die Spionin
Nacht dort verbringen würde, hatte er Shalidar über ihren Aufenthaltsort informiert, der dann dafür sorgte, dass das Haus überwacht wurde, bis sie es wieder verließ.
Was Femke besonders ärgerte, war die Erkenntnis, dass er ihr auch den ganzen nächsten Tag gefolgt sein musste. Shalidar wusste alles, stellte sie grimmig fest. Er wusste genau, was für Kleider sie gekauft hatte, wann sie sie gekauft hatte und wo. Wenn er, wie sie nun vermutete, ein kleines Team darauf angesetzt hatte, ihr zu folgen, dann wusste er, dass sie in seiner Straße gewesen war, und vor allem, dass sie spät am Abend den Palast in ihrer Verkleidung betreten hatte. Kurz gesagt, sie hatte eine der Grundregeln der Spionage vernachlässigt: Konzentriere dich nie auf etwas, ohne zu bedenken, dass dich andere beobachten könnten.
»Oh Shand!«, fluchte Femke plötzlich. »Reynik! Ich habe ihn nicht gewarnt!« Wieder fluchte sie.
Jetzt war es zu spät, dem jungen Soldaten zu helfen. Er wusste nichts von Shalidars Informanten und Agenten. Femke konnte nur noch beten, dass er keinen Ärger bekam.
Reynik war frustriert. Tagelang hatte er Shalidars Haus heimlich beobachtet und nichts Verdächtiges bemerkt. Er hatte nicht lange gebraucht, um herauszufinden, wo der Mann wohnte, da ihn anscheinend viele Leute kannten. Doch es schien schwieriger, den angeblichen Kaufmann zu Gesicht zu kriegen.
Reynik war der Gedanke gekommen, dass Shalidar der Mörder seines Onkels sein könnte. Wenn das der Fall war, dann hatte er ein besonderes Interesse daran, ihn der Morde im Palast zu beschuldigen. Doch solange er ihn nicht in Augenschein nehmen konnte, war es unwahrscheinlich, dass er es herausfinden würde.
Er seufzte auf und ging wieder. Er wollte nicht, dass er bemerkt wurde, wie er das Grundstück beobachtete, daher beschränkte er seine Kontrollen auf kurze Zeiten. Er musste einfach Geduld haben, auf sein Glück vertrauen und es weiter versuchen.
Der junge Soldat war noch nicht weit gekommen, als er bemerkte, dass er verfolgt wurde. Ein schneller Blick zurück zeigte ihm, dass vier Männer hinter ihm die Straße entlanggingen. Sie wirkten nicht gerade freundlich. Reyniks Herz schlug schneller, als er feststellte, dass sie hinter ihm her waren.
»Beruhige dich«, sagte er sich leise. »Das ist noch gar nicht sicher.«
Reynik bog an der nächsten Ecke nach rechts in eine kleine Nebenstraße ab, um zu sehen, ob sie ihm folgten. Das taten sie. Nicht nur das – sie beschleunigten ihre Schritte und rannten auf ihn zu. Sollte er fliehen? Wenn er rannte und sie holten ihn ein, dann standen seine Chancen bei einem Kampf schlechter als hier. Laufen war noch nie seine Stärke gewesen. Er wollte es lieber nicht mit allen vieren aufnehmen. Das war kein gutes Verhältnis, aber es war auch noch nicht sicher, ob sie überhaupt auf einen Kampf aus waren. Widerwillig entschloss er sich, sie näher kommen zu lassen, um zu erfahren, was sie wollten.
Als sie sahen, dass sich Reynik zu ihnen umwandte, verlangsamten die vier Männer ihr Tempo leicht. Der vorderste verzog das Gesicht zu einem hässlichen Lächeln. Sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes, stellte Reynik fest. Keinen der Männer konnte man als gut aussehend bezeichnen, sie waren alle stämmig und hatten grobschlächtige Gesichter. Sobald sie bei ihm angelangt waren, verteilten sie sich und kreisten ihn ein.
»Guten Abend, meine Herren, was kann ich für Euch tun?«, fragte Reynik höflich, wobei er seine Aufmerksamkeit auf den Mann konzentrierte, der gegrinst hatte, da er der Anführer zu sein schien.
»Du hast da so’n Haus beobachtet«, sagte der Mann barsch. »Das mag der Besitzer nich. Sagt, du sollst aufhören.«
»Ein Haus beobachtet?«, fragte Reynik unschuldig. »Und welches Haus soll das gewesen sein?«
»Das weißt du verdammt gut. Wir soll’n dir zeigen, dass es ungesund is, es anzuglotzen«, bekam er zur Antwort, wobei das Grinsen immer breiter und hässlicher wurde.
»Na gut. Dann werde ich darauf achten, keine Häuser mehr zu beobachten. Vielen Dank für die Warnung.«
»Schon zu spät.«
Auf ein Nicken des Anführers griffen die vier Männer gleichzeitig an, doch Reynik war darauf vorbereitet. Er drehte sich und trat mit seinem rechten Fuß zu, sodass einer der Männer hinter ihm zu Boden stürzte. Fast gleichzeitig versetzte er mit der linken Hand einem anderen Mann einen Hieb auf die Kehle. Der blieb abrupt stehen und fasste sich erschrocken an den schmerzenden Adamsapfel.
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