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Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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spöttisch betrachtet. »These«, zirpte er. »Es ist unnatürlich, wenn Kinder andere Kinder ohne Kampfansage fesseln.«
    Es war keine Zeit gewesen, dass eine weitere Eule etwas hätte erwidern können, keine Zeit, dass Hartley Torino hätte Schweigen gebieten können. Ein Mitglied des Kleinen Heers hob beiläufig seinen Bogen und richtete den Pfeil wie im Spiel abwärts. Die Bogensehne schwirrte, und Torino fiel auf die Feuerstelle. Sein Brustkorb war von einem büscheligen Stock durchbohrt, von einem Schaft, der weder lang noch gefährlich aussah, bis er die Brust eines Kindes durchbohrte.
    Shea konnte sich selbst jetzt noch vorstellen, wenn sie die Augen schloss, wie Torino auf dem sauber gefegten Boden ihres kleinen Hauses zuckte. Sie konnte sehen, wie die kleine Eule darum kämpfte, Atem zu holen, versuchte, seine letzte These zu strukturieren. Sie konnte ihre anderen Kinder sehen, die sich erschrocken und entsetzt zusammenkauerten. Shea schüttelte den Kopf, wollte das Bild verzweifelt vertreiben. Es war bereits geschehen, vor Tagen. Sie konnte jetzt nichts mehr daran ändern. Die Mädchen waren ohne Schlaf und ohne die Möglichkeit zu trauern aus dem kleinen Haus zu Sin Hazars Hauptstadt getrieben worden.
    Und die Jungen? Shea erlaubte es sich nicht, an die Jungen zu denken, die in dem kleinen Haus zurückgeblieben waren, an Handgelenken und Knöcheln gefesselt. Pater Nariom wäre gewiss aus dem Dorf gekommen. Der Priester hätte die Jungen gewiss gefunden, bevor sie zu hungrig wurden. Zu durstig. Zu verfroren. Gewiss lebten die Jungen, und es ging ihnen gut. Gewiss lebten sie glücklich in der Nähe des Dorfes, das sie schon immer gekannt hatten, weil der König seine Quote für männliche Soldaten im Kleinen Heer bereits erfüllt hatte.
    Das hatte Shea die erwachsenen Soldaten sagen hören.
    Teleos, der mysteriöse General, der das Kleine Heer auf seinem Weg nach Liantine befehligen würde, hatte erklärt, sie brauchten keine weiteren Jungen. Er wollte nur Mädchen, zum Ausgleich für seine männlichen Truppen.
    Sheas Söhne waren verschont worden. Sie lebten noch, daheim in ihrem kleinen Haus.
    Sie durfte sich nicht erlauben, etwas anderes zu glauben.
    Und so folgte Shea ihren Töchtern, trat aus dem Palisadentor und nahm eine Position vorne im Kleinen Heer ein, in der Nähe der seltsamen Mädchen aus dem Süden, die sich mit den Ellenbogen durch die Ränge vorgearbeitet hatten.
    Ein ungeheures Gerät nahm die Ebene jenseits der Palisade ein. Shea konnte vier Flügel erkennen – zwei große und zwei kleinere, alle zurückgefaltet wie die Flügel eines Nachtfalters. Zwischen den Flügeln befanden sich eine kleine Plattform und ein aus dünnen, peitschenartigen Zweigen gefertigtes Geschirr. Die dünnen Zweige waren vom Laub befreit und mit starken, leichten Weidenbändern viele Male umwickelt worden. Das Geschirr war von einem Dickicht aus Seilen und Rollen umgeben. Seltsame Knäufe aus geschliffenem Holz zierten das Gerät.
    Davin stand neben dem Gerät und betrachtete stirnrunzelnd seine Erfindung. Seine betagten Hände streckten sich aus, um es zu prüfen, zogen an einer Stelle an einem Seil und stießen an einer anderen gegen eine Strebe. Dabei murmelte er unaufhörlich vor sich hin und blickte von der Konstruktion zu einer Reihe Pergamentrollen und wieder zurück. Diese Rollen wollten sich im zunehmenden Wind nicht bezwingen lassen, und Davin fluchte mehr als einmal, während er mit einer eigensinnigen Zeichnung kämpfte.
    Jedes Mal, wenn der alte Mann vor Ärger explodierte, durchlief ein Schauder das versammelte Kleine Heer. Shea machte einige der Jungen aus, die sie kannte, Soldaten, die im Schwanenschloss stationiert gewesen waren. Sie betrachteten Davin mit aufgeregtem Eifer. Sie kannten die Art des alten Mannes, und sie begriffen, dass sie eine ungewöhnliche Erfindung erleben sollten.
    Während Shea hinsah, trat Crestman um die andere Seite des nachtfalterähnlichen Gerätes herum und beugte sich über die in dem mit Weidenbändern umwickelten Harnisch festgebundene Gestalt. Shea brauchte einen Moment, bis sie Monny erkannte. Der flammend rote Zopf des Kindes war unter eine Lederkappe gesteckt. Seine sommersprossigen Züge wirkten lebhaft, während er mit Crestman sprach und über seine Schulter auf die zusammengefalteten Pergamentflügel deutete. Crestman schüttelte den Kopf und zog an einem der hölzernen Knäufe, so dass das gesamte Gerät einen Satz vorwärts machte. Monny ergriff einen

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