Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
Rai?«
»Wir müssen die Mädchen zusammentrommeln. Wir müssen es ihnen erklären.«
»Die Mädchen!«, schnaubte Mair. »Es sind vielleicht insgesamt hundert Mädchen auf diesen beiden Schiffen, nur ungefähr sechzig hier. Was können wir mit sechzig Mädchen gegen das Kleine Heer und alle erwachsenen Soldaten ausrichten? Die Jungen glauben, eine Mission auszuführen, von ihrem König dazu berufen! Und da sind auch noch Sin Hazars Männer, mehr als ein halbes Dutzend, die uns bewachen.«
»Wir müssen es versuchen«, fluchte Rani. »Komm schon. Gehen wir zur Leiter. Dort weht Wind, und wir werden klarer denken können.« Als sich Mair nicht regte, zog Rani sie am Arm. »Ich will nicht benutzt werden, Mair. Ich will kein Bettwärmer oder eine Sklavin oder eine Waffe gegen meinen König sein.«
»Ich weiß nicht, ob du eine Wahl hast, Rai.«
»Wir haben alle Wahlmöglichkeiten.« Mair wollte erneut protestieren, aber Rani schüttelte nur den Kopf und zog ihre Freundin zur Leiter hinüber. »Nein, Mair. Wir haben alle Wahlmöglichkeiten. Einige davon sind nur schwerer zu erkennen als andere.«
12
Sin Hazar entfernte zwei Schiffsmarkierungen von seiner Landkarte, hob die geschnitzten Teile hoch, als wollte er sie auf den Tisch werfen wie Würfel, die sein Schicksal besiegelten. Stattdessen wandte er sich zu seinem Neffen um, warf die Holzschnitzereien auf den nichts ahnenden Bashanorandi. Der Junge ließ eines der Teile klappernd auf den Boden fallen und wollte es rasch ergreifen, bevor es unter die zugige Feuerstelle rollen konnte. Feliciandas Junge, vor seinem Onkel auf den Knien… Nun, das war ein amüsanter Beginn für eine Lektion in Strategie. Sin Hazar unterdrückte ein Lächeln und wandte seine Aufmerksamkeit seinem Bruder zu. »Nun, Al-Marai, zwei Probleme weniger, über die wir uns Sorgen machen müssen.«
»Ja.« Al-Marai trat zum Fuß des Tisches und neigte den Kopf, wie um eine bessere Perspektive zu gewinnen.
»Diese Schiffe sollten Liantine innerhalb der nächsten drei Tage erreichen«, sann Sin Hazar. »Mit dem Gewinn aus den Waren werden wir weitere zwanzig Yrathi erwerben können. Wie viele sind es dann insgesamt? Achthundert?«
»Ungefähr.«
Sin Hazar ärgerte sich darüber, dass sein Bruder ohne eine Spur von Empfindung antwortete. Dies war ein Grund zum Feiern! Die Idee, die Mädchen zu requirieren, war eine göttliche Eingebung gewesen! Nun, wenn den Winter über weiterhin Mädchen ausgehoben würden, dann könnte Sin Hazar womöglich weitere fünf Schiffe nach Liantine schicken. Seinen Truppen weitere fünfzig Yrathi hinzufügen. Al-Marai sollte etwas begeisterter sein. Er sollte zumindest vorgeben, dass ihn die bevorstehende Schlacht kümmerte. »Vielleicht, Bruder, würdest du jetzt gerne die Seiten wechseln.« Sin Hazar sprach nüchtern, aber er beobachtete, wie sich der General bei diesen Worten anspannte.
»Ich würde mich in mein Schwert stürzen, wenn mein Lehnsherr das auch nur vorschlüge«, erwiderte Al-Marai unwillkürlich und streckte eine Hand nach der gebogenen Klinge aus, die an seiner Taille hing.
»Ja, ja.« Sin Hazar tat die leere Phrase ab und schaute dann stirnrunzelnd zu dem nun wieder aufrecht stehenden Bashanorandi. Kein Grund, den Jungen da mit hineinzuziehen, Dinge zu äußern, die vor neugierigen Augen und Ohren zurückgenommen werden müssten. »Was ist los, Al-Marai? Was enthältst du mir vor?«
»Nichts, Euer Majestät.« Al-Marai hielt eine Hand auf seiner Waffe, während er zur Seite der Landkarte trat. »Nichts, was wir nicht beheben könnten.«
Der General streckte blitzartig die Hand zum Tisch aus und verrückte Markierungen, um das morenianische Heer näher an die Hauptstadt heranzubringen, nahe an Sin Hazar selbst. Noch immer unzufrieden mit der Anordnung der Landkarte schüttelte Al-Marai den Kopf und griff in die seitlich des Brettes verlaufende Vertiefung. Er nahm drei weitere karmesinrote Markierungen hervor, Markierungen für das Heer des Emporkömmlings Halaravilli. Al-Marai stellte sie neben die anderen Markierungen auf das Brett, schüttelte den Kopf und verlegte dann alle karmesinroten Teile noch weiter nach Norden, so dass sie nur noch einen Zwei-Tages-Marsch von Sin Hazar entfernt waren.
»Du machst doch gewiss Scherze.« Sin Hazar behielt den trockenen Zynismus nur mühsam bei.
»Es ist kein Scherz. Ich habe gerade die neuesten Kundschafterberichte erhalten.«
»Aber dieser Hund aus dem Süden kann keinesfalls so viele Männer
Weitere Kostenlose Bücher