Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
Liantiner kontrollieren Yrath nicht. Vielleicht können wir die Söldner nicht erwerben, nicht einmal mit liantinischem Gold.«
»Aber wer bietet mehr Geld als wir?«
»So habt Ihr schon zuvor argumentiert, Euer Majestät.«
»Al-Marai, du kannst doch gewiss nicht befürchten, dass dieser dahergelaufene Rebellenkönig aus dem Süden uns überbieten wird?« Sin Hazar zwang sich, über den Gedanken zu lachen. Nach allem, was er gehört hatte, von Bashanorandi und zuverlässigeren Spionen, konnte Halaravilli es sich nicht einmal leisten, Waffen für seine Männer schmieden zu lassen. Wie wollte er da die besten Soldaten erwerben, die man für Geld bekommen konnte?
»Nein, Euer Majestät. Wir haben nichts bemerkt, was darauf hindeuten würde, dass er sich die Yrathi leisten könnte.«
»Was ist es dann, Al-Marai? Was enthältst du mir vor?«
Der Löwe atmete tief ein und warf dann einen kurzen Blick zu Bashanorandi. Er schien Sin Hazar eine Frage zu stellen, um Erlaubnis zu bitten, vor dem Balg offen zu sprechen. Sin Hazar vollführte eine ärgerliche Handbewegung, aber Al-Marai schluckte dennoch hart, bevor er seinem Lehnsherrn in die Augen blicken konnte. »Euer Majestät, wir können nicht dafür garantieren, dass die Südländer aufgehalten werden, bevor sie die Stadt erreichen. Sie treffen Entscheidungen, als wären sie verrückt geworden! Sie haben das Schwanenschloss in Brand gesteckt, und die Bevölkerung hat Angst.«
»Das Schwanenschloss war ein unverteidigter Haufen Steine! Unsere eigenen Jungen untergruben die Mauern!«
»Ja, aber der Klang von einstürzenden Steinmauern ist nicht weit zu hören. Rauch kann jedoch auf Meilen gesehen werden.«
»Was willst du mir damit sagen? Glaubst du, ich sei in Gefahr?« Sin Hazars Stimme brach beim letzten Wort, ob aus Unglaube oder aus Zorn hätte er selbst nicht sagen können.
»Ich glaube nicht, dass Ihr in ernsthafter Gefahr seid. Ich glaube nicht, dass Euer Leben auf dem Spiel steht. Dennoch…«
»Dennoch was? Was versuchst du mir zu sagen, Al-Marai?«
»Ich denke, Ihr solltet den Goldenen Drachen auslaufen lassen. Ich denke, Ihr solltet diesen Krieg von See aus befehligen.«
Sin Hazar sah seinen Bruder mit offenem Mund an. Aufs Meer auslaufen? Angst zugeben?
Al-Marai war der erste Löwe der Geschichte Amanthias, der auf den Gedanken kam, während eines Krieges einen alternativen Kommandoposten zu errichten. Sie hatten häufig genug darüber gesprochen – der Goldene Drache war im Laufe der Jahre zu Al-Marais Lieblingsprojekt geworden. Der General war stets für die Vorstellung eines Palastes eingetreten, der über das freie Meer manövriert werden konnte und Geheimhaltung und Sicherheit gewährte… Sin Hazar könnte Tauben benutzen, um Nachrichten zu einem halben Dutzend landgebundener Außenposten zu schicken. Er könnte kleinere Boote vom Deck des Goldenen Drachen aussetzen. Er könnte seinen erstklassigen Truppen Befehle erteilen – alles aus sicherer Entfernung.
Und alles, was Sin Hazar dazu tun musste, war, zuzugeben, dass er Angst hatte. »Der Goldene Drache…«, sagte er, den Beigeschmack des Rückzugs kostend.
»Ja, Euer Majestät. Das würde es uns erlauben, meine Theorien zu überprüfen. Ihr könntet es jetzt freiwillig ausprobieren, bevor Ihr es ausprobieren müsst. Festigt Eure Befehlsgewalt für die Zukunft. Denn Ihr wisst, dass wir unsere Aufmerksamkeit im nächsten Jahr vom Süden abwenden werden. Wenn Ihr Morenia erst kontrolliert, werdet Ihr ernsthaft nach Liantine schauen. Unsere Tauglichkeit auf dem offenen Meer zu kennen, wird dort wichtig sein.«
»Aber wer würde zurückbleiben, um meine Streitkräfte an Land zu befehligen?«
»Ich würde das tun, Euer Majestät.«
Sin Hazar sah seinen Bruder an, und ihm wurde warm ums Herz durch die spontane Antwort. Er warf einen raschen Blick zu Bashanorandi, um zu sehen, ob das Balg die Lektion aufnahm. Die Augen des Jungen waren auf Sin Hazar gerichtet. Hinter diesem Blick aus kornblumenblauen Augen war eine Botschaft zu erkennen, eine Erwartung, dass Sin Hazar Al-Marais Angebot annehmen würde. Die Flucht akzeptieren würde.
Al-Marai blieb beharrlich. »Krieg ist mit Gefahr befrachtet, Sire. Ich werde zurückbleiben. Wir werden gut zusammenarbeiten.«
Krieg ist mit Gefahr befrachtet. Und was für ein König wäre Sin Hazar, wenn er vor dieser Gefahr davonliefe? Ein Blick auf den wehleidigen Bashanorandi beantwortete diese rhetorische Frage. »Es tut mir leid, Al-Marai. Ich werde
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