Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
hat Euch erwählt, Puladarati. Ich hätte es wissen sollen…«
»Ja. Und wenn alle Prinzen auf ihre Väter hörten…« Puladarati ergriff Hals Arm, stützte ihn gegen die plötzliche Dunkelheit, die seine Sicht vereinnahmte. Der mit drei Fingern ausgeführte Griff des alten Mannes war eisenhart. »Ruhig, Sire! Hier. Trinkt dies. Es ist Wein.«
»Euer Gnaden…«
»Trinkt, mein Prinz. Es ist noch nicht so lange her, dass ich Euer Prinzregent war – ich kann dies noch immer Eure Kehle hinabzwingen, wenn Ihr meinen Befehl nicht befolgt.« Hal hörte die raue Zuneigung in der Stimme des Mannes, sah das Lächeln in seinem Vollbart. Der erste Schluck Wein beruhigte Hals Atem, beseitigte seinen Schwindel.
»Gut, Herzog Puladarati.« Hal schaute zu seinen Soldaten, zu den treuen Männern, die Tasuntimanu umgaben. »Ich werde trinken. Aber erst wenn Ihr mir diesen verfluchten Verräter aus den Augen geschafft habt.«
Puladarati verbeugte sich und gab den Soldaten ein Zeichen. »Mit Vergnügen, Euer Hoheit. Mit allergrößtem Vergnügen.«
14
Ranis Atem bildete Wolken, als sie über die amanthianische Ebene hinwegblickte. Die Asche der Lagerfeuer glühte noch leicht, gelegentlich klirrte ein Harnisch, und Soldaten, die hätten schlafen sollen, stießen Rufe aus. Rani schaute zu den Sternen und konnte erkennen, dass es fast Mitternacht war. Die Stunden vor dem Sonnenaufgang waren kostbar, denn nach Sonnenaufgang würde Teleos mit dem Kleinen Heer wieder aufs offene Meer hinausfahren.
Crestmans Umhang wärmte ihre Schultern. Als hörte der junge Soldat ihre Gedanken, näherte er sich ihr und flüsterte: »Es ist nicht mehr weit. Ihre Wachen sollten uns bald aufhalten.«
»Bist du sicher, dass wir das Richtige tun?«, flüsterte Rani zurück. »Wie werden sie auf Fremde reagieren, die mitten in der Nacht eintreffen?«
»Nicht gut.« Crestman zuckte die Achseln und legte eine Hand auf seinen Dolch. Er hatte sein Haar neu gebunden, nachdem Teleos’ Schiff einen Hafen unmittelbar südlich von Amanth angelaufen hatte. Die Kriegerhaartracht streckte die Haut unter seinen Augen, und er wirkte weitaus jünger als vor drei Nächten auf dem Schiff, als er mit Teleos um das Schicksal seiner Soldaten gerungen hatte.
Crestmans unverwechselbare Haartracht machte Rani beständig Sorgen. Sie befürchtete, dass sie und ihre Gefährten für amanthianische Spione gehalten würden, sobald sie das morenianische Lager erreichten. Was würde geschehen, wenn sich die Wache weigerte, sie zu Halaravilli zu bringen? Was würde geschehen, wenn ein übereifriger Soldat beschloss, seinen König von einer amanthianischen Bedrohung zu befreien, und handelte, bevor Rani sich zu erkennen geben konnte?
Aber was würde geschehen, wenn sie bis zur Dämmerung hierblieben und nichts taten?
Rani hob das Kinn an und atmete scharf aus. Ihr dampfender Atem stieg wie ein Fanal in die sternenklare Nacht. »Also gut. Begrüßen wir Halaravilli ben-Jair.«
Sie führte sie zuversichtlicher ins Lager, als sie sich fühlte. Zehn Schritte. Zwanzig. Einhundert. Sie konnte weiter unten an der Straße ein karmesinrotes Banner ausmachen, das sich in der nächtlichen Brise kaum regte. Sie wusste, dass ein Löwe auf dem Stander abgebildet war. Wäre der Mond heller, könnte sie Halaravillis Zeichen erkennen. Weitere zehn Schritte. Weitere zwanzig.
»Halt!« Obwohl Rani den Befehl erwartet hatte, zuckte sie zusammen und unterdrückte nur mühsam einen Schrei. »Wer wagt es, das Lager König Halaravilli ben-Jairs zu stören?«
»Ich bin es, Rani Händlerin, eine Freundin des Hauses Jair. Ich komme mit Verbündeten, um Seiner Majestät, König Halaravilli, zu helfen.«
Sofort wurden Fackeln gebracht. Soldaten riefen Befehle, und raue Hände ergriffen Rani und ihre Gefährten. Sie wurden durch das erwachende Lager gedrängt, mit dem Druck scharfer Stahlspitzen vorwärtsgehetzt. Rani hielt die Hände bewusst sichtbar vor sich ausgestreckt und zwang sich zu einem ruhigen, geschmeidigen Gang. Sie wollte diesen nervösen Männern keine Entschuldigung liefern, ihr Schaden zuzufügen.
Langsam, stetig wandte sie den Kopf und sah, dass ihre drei Gefährten hinter ihr gingen. Crestman hatte ihr Beispiel übernommen, die Hände deutlich sichtbar zu halten, ein gutes Stück vom Heft seines Kurzschwertes entfernt. Auf Ranis Blick hin trat er neben sie, die Augen unmittelbar geradeaus gerichtet, als marschiere er in den Tod. Mair andererseits trug ein belustigtes Grinsen auf den
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