Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
nur einen Augenblick vor dem sengenden Kuss des Dochtes zurück und schleuderte die Lampe dann auf Tasuntimanu. Öltropfen stürzten kaskadenartig durch die Luft, ließen Feuer auf den Ratsherrn herabregnen.
Während Tasuntimanu vor Zorn und Schmerz brüllte, sprang Hal über die Kiste und gelangte endlich zu seinem Bett und zu seinem Schwert. Dann war das Zelt voll bewaffneter Männer, hallte vor Befehlen und dem Klang von Schwert an Schwert wider. »Vorsicht!«, rief Hal vom Bett aus, gerade als sich einer seiner Soldaten auf ihn warf und ihn vor dem wahnsinnigen Boten der Gefolgschaft schützte. »Er ist wahnsinnig!«
Er verrenkte sich fast den Hals, um über seinen Verteidiger hinwegzublicken. Ein Soldat benutzte sein Schwert, um das Heft von Tasuntimanus Schwert zu stoppen und dem Ratsherrn die Waffe zu entziehen. Zwei weitere Wächter stürzten vorwärts, ergriffen die Arme des Verräters und zwangen ihn zu Boden. Die Erde zerdrückte die letzten Funken der Öllampe, ließ den Gestank verbrannter Wolle und versengter Haare zurück. Ein dritter Wächter kniete sich auf Tasuntimanus Rücken, eine panzerbehandschuhte Faust auf seinem Nacken.
Erst nachdem der Verräter gebändigt war, gelang es Hal, seinen Verteidiger fortzuschieben. Die Brust des Königs schien zu klein für sein hämmerndes Herz, als er sich hochmühte, und er ergriff dankbar die Hand seines Wächters. Er war sich vage der Tatsache bewusst, dass seine Handfläche versengt war. Seine Seite war gequetscht. Es nahm ihm jedoch vollständig den Atem, als er sah, welcher Mann seinen Körper eingesetzt hatte, um seinen Lehnsherrn zu retten. »Puladarati!«
Der alte Ratsherr rang selbst nach Atem, und seine graue Löwenmähne stand um sein Gesicht ab, als wäre er in einem Sturm gefangen gewesen. »Ja, Euer Majestät.«
»Aber… ich dachte…«
»Mein Lehnsherr, Ihr seid verletzt!« Der frühere Prinzregent bellte einem seiner Soldaten einen Befehl zu, ließ einen Arzt rufen. Bevor der Arzt eintraf, führte Puladarati Hal zu einem Zeltstuhl. »Atmet tief durch, Sire. Euch wurde nur der Atem genommen.«
»Nur…« Hal hielt inne, um nach Luft zu schnappen, eine Reaktion, die dadurch noch notwendiger wurde, dass Puladarati vor ihm niedersank wie der demütigste Bittsteller im Haus der Tausend Götter. Bevor Hal reagieren konnte, hatte der Ratsherr einen silberverzierten Dolch aus seinem abgenutzten Stiefel gezogen.
Noch während Hal registrierte, dass der ältere Mann die Waffe darbot, das Heft dem König zugewandt und die geschärfte Klinge auf seinen Unterarmen ruhend, erkannte er die Klinge. Sie hatte vor langer Zeit seinem Vater gehört. Sie hatte König Shanoranvilli gehört, eines der Erbstücke des alten Königs, vermutlich vom Vater an den Sohn weitergegeben. »Euer Majestät«, begann Puladarati und ignorierte den benommenen Ausdruck, dessen sich Hal bewusst war. Der Herzog blickte zu dem festgehaltenen Tasuntimanu, die Augen scharf wie Dolche. »Ich habe vor Euch versagt, indem ich diesen… diesen Verräter im Dunkel der Nacht Zugang zu Eurer Person erlangen ließ. Ich habe vor Eurem Vater versagt und das Vertrauen, das er in mich setzte, enttäuscht. Ich bin es nicht wert, dieses Geschenk zu bewahren. Ich bin es nicht wert, Euch zu dienen, Euer Majestät.«
»Ihr…« Hal fiel das Atmen immer noch schwer. Es fiel ihm immer noch schwer, die Bruchstücke vor sich zusammenzufügen. Seine Hand pochte an der Stelle, wo er sich verbrannt hatte, und er konnte erst jetzt seine Lungen gegen den jähen Schmerz an seiner Seite füllen. Er streckte kopfschüttelnd eine Hand aus und legte die unverbrannte Handfläche auf das Heft des silberverzierten Dolches. Er konnte sich seinen Vater blitzartig vorstellen, vor sich sehen, wie der alte König die Klinge seinem vertrautesten Gefolgsmann übergab. »Puladarati, ich dachte, dass Ihr… dass Ihr und Tasuntimanu… Ich dachte…«
Die Augen des Löwenratsherrn weiteten sich einen Moment, und dann breitete sich ein zögerliches Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Und ich dachte, Ihr wärt ein rebellischer Junge, der nur widerwillig einen Rat von den Älteren annahm. Selbst wenn jene Älteren einigen Eurer engsten Ratsherren misstrauten. Selbst wenn jene Älteren sich dazu beriefen, über Eure Ratsherren zu wachen, der Gefahr nahe zu bleiben.«
Eine heiße Woge schwemmte über Hals Gesicht hinweg, eine brodelnde Mischung aus Scham und Dankbarkeit, von heftiger Erleichterung durchsetzt. »Mein Vater
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