Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
Lippen. Sie hätte einfach ein Unberührbaren-Mädchen sein können, das auf den Straßen der morenianischen Hauptstadt ein mitternächtliches Spiel spielte.
Monny machte Rani jedoch nervös. Er schaute ständig zu seinen Wächtern, ließ den Blick umherzucken, als plane er einen Angriff auf einen der Soldaten. Er hatte die Wahrheit über ihre Rückkehr erfahren, und er hatte geschworen, Sin Hazar unter dem Kommando seiner Hauptleute, Crestman und Mair, zu bekämpfen. Seine Hände öffneten und schlossen sich krampfartig, und Rani befürchtete, dass er einen nervösen Wächter dazu bringen könnte, gedankenlos zu handeln.
Mair musste die Gefahr ebenfalls gespürt haben. Sie blieb zurück, bis sie auf gleicher Höhe mit dem Jungen war. Als ihr die Aufmerksamkeit des Kindes gewiss war, streckte sie betont gemächlich die Hände vor sich aus, gab ein Beispiel wohlüberlegter Unschuld ab. Monny runzelte die Stirn, tat es ihr dann aber gleich. Er war kein Narr. Er hatte seine Befehle erhalten, und er würde sie befolgen.
Rani zitterte nicht mehr, als sie die Mitte des morenianischen Lagers erreichten. Vielmehr stieg ihr das Blut heiß in die Wangen, als wäre ihr Gesicht ein Fanal, das bis zu den Toren von Sin Hazars Stadt leuchtete. Sie hörte das zunehmende Murmeln im Lager um sich herum, als die Männer ihre Kameraden weckten. Ihr Name wurde von einem Unbekannten zum anderen weitergegeben – Rani Händlerin, Rani Händlerin. Gelegentlich wurden auch andere Namen angefügt – Rai oder Ranita oder Ranimara – und einer oder zwei der Soldaten schienen auch Mair zu erkennen. Aber die meiste Aufmerksamkeit galt Rani.
Crestman wurde allmählich stiller. Gewiss hatte sie ihm erzählt, dass sie dem König bekannt war, dass sie im Palast in Morenia gelebt hatte. Aber er hatte diesen Teil ihrer Geschichte anscheinend nicht geglaubt. Der Hauptmann des Kleinen Heers sah sie immer häufiger ehrfürchtig von der Seite an.
Rani hatte jedoch keine Zeit, Crestman zu beruhigen. Noch bevor sie dazu bereit war, bevor sie beschlossen hatte, was sie zu Hal sagen würde, standen sie vor einem reich verzierten Zelt in der Mitte des Lagers. Löwenbanner hingen zu beiden Seiten des Eingangs. Mehr als ein Dutzend Männer standen Wache, die Hände auf den blankgezogenen Schwertern. Ihre schützende Gegenwart wurde von sechs Riesen unterstützt, die neben dem Eingang des Zeltes stillstanden, eiserne Langspieße an ihrer Seite aufgepflanzt. Das schwer bewachte Zelt konnte nur König Halaravilli gehören.
Durch den Segen der Tausend Götter kannte Rani den Anführer der königlichen Wache. »Birilano«, sagte sie und neigte den Kopf, als wäre sie dem Soldaten zufällig in einem Garten außerhalb des Palastes begegnet.
»Lady Rani!« Er klang völlig überrascht. Sein Erstaunen war rasch erklärt, als er herausplatzte: »Man sagte uns, Ihr wärt tot!«
Sin Hazar. Der amanthianische König musste Lügen als Erklärung dafür verbreitet haben, dass Rani keine Briefe nach Morenia gesandt hatte! Kein Wunder, dass Sin Hazar geglaubt hatte, Rani nach Liantine verbannen zu können. Kein Wunder, dass er sich seiner Verschwörung so sicher gewesen war!
»Nein«, murmelte Rani, die nun allmählich begriff, wie hinterhältig ihr Gegner war. »Ich bin immer noch sehr lebendig. Und ich bin hier, um Seine Majestät zu sprechen.«
»König Halaravilli schläft. Es gab früher am Abend einen… Aufstand im Lager, und er gelangte erst spät in der Nacht zu Bett.«
Ein Aufstand? Nun, vielleicht erklärte das die zusätzlichen Wachen, die zusätzliche Aufregung unter all den Soldaten, an denen sie vorübergekommen waren. Bevor Rani eine höfliche Erwiderung formulieren konnte, drängte sich Monny vor. »Nun, wir haben auch nicht geschlafen, Soldat. Die Lady erbittet eine Audienz bei ihrem Lehnsherrn!«
»Monny!« Rani und Mair packten den Jungen beide, noch während ein Langspieß in seine Richtung gesenkt wurde. Mair zog den sich windenden Rotschopf wieder neben sich. Crestman warf seinem Soldaten warnende Blicke zu, schwieg aber.
Rani räusperte sich. »Birilano, dieser Junge ist vorschnell, aber er sagt die Wahrheit. Wir müssen dringend mit König Halaravilli sprechen. Mehr als einhundertvierzig Leben stehen auf dem Spiel. Leben von Kindern.«
Ein Ausdruck des Mitleids zuckte kurz über das Gesicht des alten Soldaten, aber er schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid. Herzog Puladarati hat strikteste Befehle erteilt. Es würde mich mein
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