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Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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sterben.«
    »Crestman«, krächzte Hartley den Löwennamen hervor, »ist ein Verräter an seinen Leuten. Er kam, um uns zu töten. Er hat ein Messer gegen die Sonnenfrau erhoben, während ihre Kinder Beeren sammelten. Er gehört zu König Sin Hazar. Wir haben keine Ahnung, welche Teufeleien er in den Lagern des Kleinen Heers gelernt hat. Er kennt wahrscheinlich ein Dutzend Arten, dich zu töten, Schwanenmädchen.«
    »Er ist noch ein Junge!«, rief Shea aus, und jetzt erinnerte sie sich, wann sie diese Worte zum ersten Mal klagend ausgestoßen hatte. Sie erinnerte sich, wie sie die entsetzliche Nachricht erhalten hatte, dass Pom in König Sin Hazars Lagern niedergemetzelt worden war. Ihr einziger Sohn war in den Baracken des ersten Korps der Kindersoldaten ermordet worden, getötet, als er sich weigerte, bei irgendeiner grausamen Unterweisung mitzumachen. Als Shea von ihrem Verlust erfahren hatte, hatte sie aufgeschrien, noch bevor sie erkannt hatte, dass sie allein war, dass sie sowohl Pom als auch Larina verloren hatte, und schon vor so langer Zeit Bram. Einen kurzen Augenblick hatte sie sich vorgestellt, wie sie mitten in König Sin Hazars Lagern kniete, auf Knien zwischen den Kindern, die der Sache des Königs dienten. Sie hatte sich gesehen, wie sie Poms Körper hielt und seine Jungenarme und Jungenbeine ausstreckte.
    Aber sie hatte ihn niemals gesehen. Sie hatte niemals erfahren, was König Sin Hazars Truppen mit Poms Körper gemacht hatten, obwohl sie Gerüchte über Übungen von Bogenschützen und über ausgehungerte Jagdhunde gehört hatte. Shea schluckte schwer, wohl wissend, dass sie ihren Fall vertreten musste, wohl wissend, dass sie es Serena begreiflich machen musste. Die Worte wollten jedoch nicht kommen. Shea brachte nur hervor: »Serena, er ist ein Kind.«
    »Wir sind alle Kinder!«, spie Hartley hervor. »Wir sind alle Kinder, und wenn du dieses Leben gewährst, könnten wir alle sterben.«
    Serena schaute von Hartley zu Shea und wieder zurück. Ein Ausdruck der Verwunderung erhellte ihr verkniffenes Gesicht. »Ihr werdet tun, was immer ich sage?«
    »Ja«, schwor Hartley prompt.
    »Ja«, brachte auch Shea nach einer weitaus längeren Pause hervor. Serena war ein Schwanenmädchen. Schwänen musste man gehorchen. Das war es, was Shea stets geglaubt hatte, vor dem Aufstand. Vor dem Kleinen Heer. Bevor den Kindern ihre Tätowierungen aus den Gesichtern geschnitten wurden.
    »Dann sage ich, der Soldat… stirbt.« Serenas Augen weiteten sich, als die Kinder den angehaltenen Atem ausstießen. Sie lächelte, als hätte sie gerade ein neues Spiel entdeckt. »Tötet ihn in der Dämmerung.«

    Shea lag die ganze Nacht hindurch auf ihrer Bettstelle wach und lauschte ihrem eigenen langsamen Atmen. Es war töricht von ihr gewesen, die Angelegenheit Serena vorzutragen, einem sechsjährigen Mädchen, das keine Vorstellung vom Leben und vom Tod hatte. Was hatte sich Shea gedacht? Warum hatte sie geglaubt, Serena könne die Reife, die Gnade eines erwachsenen, ausgebildeten Schwans besitzen? Serena war gewiss nicht schlecht, sie erkannte einfach nicht die Macht ihrer Silberschwingen-Tätowierung. Es gab keine Schwäne, die sie lehren konnten, die ihr ihre Art beibringen konnten.
    Shea hatte Stunden gebraucht, um die aufgeregten Kinder zu Bett zu bringen, sie nach der Auseinandersetzung an der Feuerstelle zu beruhigen. Sie hatte letztendlich darauf zurückgegriffen, einen heißen Molketrank zu brauen, wobei sie dem Rest der dünnen Milch des Tages heimlich eine Faust voll Schlummerkraut beigab. Sie überdeckte den Geschmack des scharfen Krautes mit einem großzügigen Klacks Honig, dem letzten in der leeren Vorratskammer. Nicht einmal Tain hatte ihre List durchschaut.
    Nun schleppte sich Shea zur Tür und ergriff gegen die Nachtkälte ihr Umhängetuch. Der Löwe stand tief am Himmel.
    Sonnenkinder gaben dem Himmel in allen Dingen nach. So viele Sonnen wurden geboren, geboren, um sich im Tageslicht abzumühen. Sie wurden für ein hartes Leben voll Arbeit geboren, einfacher, guter Arbeit, wie das einfache, gute Licht der Sonne.
    Sonne, dann Löwe, dann Eule und Schwan – das war die Ordnung der Sterne, die Ordnung der Welt. Das war die Wahrheit, nach der Shea gelebt hatte, seit sie ein Mädchen war. Sie hatte diese Wahrheit Hartley und Tain, Pom und Larina, allen ihren Himmelskindern beigebracht.
    Ein weiterer Stern stieg am Horizont auf, die erste Spitze der Schwanenschwinge entfaltete sich in die Nacht. Shea

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