Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
rebellierte, als das Schiff in ein weiteres Wellental stürzte. Der Salzgeruch der Meeresgischt klebte scharf und brennend in ihrer Kehle.
An diesem Morgen hatte Mair Rani – trotz ihres gebrochenen Arms – gezwungen, an einem Stück grobem Brot zu knabbern. Rani hatte erst nach einigen Minuten heftiger Auseinandersetzung nachgegeben. Trotz der Qual, auf dem Ozean umhergeschüttelt zu werden , hatte sie Hunger. Es war ihr sogar gelungen, ihren rebellischen Magen unter Kontrolle zu behalten, während sie die harte Kruste kaute. Das hieß so lange gelungen, bis Mair ihr ein Stück reifen Käse reichte. Die sahnige Beschaffenheit des Käses verursachte Rani eine Gänsehaut, und als der moschusartige Geruch auf ihre Nase traf, verließ sie eilig die winzige Kabine und hangelte sich verzweifelt zum Deck und der Reling hinauf, wo das Meer schließlich ihr karges Frühstück davontrug.
Nun blickte Rani in den auffrischenden Wind und zwang sich, tief zu atmen. Sieben Tage, hatte Bashi gesagt. Sieben Tage von Moren nach Amanth, der Hauptstadt Amanthias weit im Norden. Sie waren bereits drei Tage unterwegs – sie hatten fast die Hälfte des Weges geschafft.
»Fühlst du dich jetzt etwas besser?«
Rani wandte sich um und sah, dass Mair hinter sie getreten war. Das war ein weiteres Problem bei diesem verdammten Schiff. Es knarrte so stark, und der Wind fuhr so laut in die Segel, dass Rani nicht hören konnte, wenn sich jemand näherte. »Nicht viel«, gab Rani zu. »Ich kann nicht verstehen, warum du dich nicht so elend fühlst wie ich.«
»Das klingt, als wolltest du, dass es mir auch schlecht geht.« Mair klang aufgebracht, aber Rani zuckte nur die Achseln. Das war leichter als zu sprechen. Eine lange Pause entstand, und dann sagte das Unberührbaren-Mädchen: »Ich dachte, hier oben wäre es kühler. In dieser Kabine ist es so eng, dass ich ohnmächtig zu werden glaubte.«
Rani wandte sich um und sah ihre Freundin scharf an. In der Kabine war es warm gewesen, aber an Deck war es tatsächlich kalt. Rani hatte sich einen Umhang um die Schultern gelegt, unmittelbar nachdem sie sich erbrochen hatte, und es beunruhigte sie zu sehen, dass Mair keinen Schutz gegen den starken Wind trug. »Du wirst dich erkälten.«
»Ich nicht.« Mair verzog das Gesicht.
Rani fuhr dem anderen Mädchen mit dem Handrücken über die Stirn, ignorierte ihren eigenen Wundschorf von Maradalians Krallen. »Du bist glühend heiß!«
»Es geht mir schon besser als vorher.« Mair tat die Aufmerksamkeit wie ein ruheloses Kind achselzuckend ab. »Es ist nur ein wenig Fieber. Nichts Besonderes.«
»Nichts Besonderes!«
»Es ist nur wegen meines Arms, weißt du.« Mair zuckte mit einer Achsel, nur um bei dem offensichtlichen Schmerz, den die Bewegung ihr verursachte, das Gesicht zu verziehen.
»Also tut er noch immer weh.«
»Ein bisschen«, räumte Mair ein.
»Mir war klar, dass dieser verfluchte Soldat nicht wusste, was er da tat! Wie konntest du zulassen, dass er dir den Arm richtete?«
»Was hätte ich sonst tun sollen? Du hättest nicht die Kraft gehabt, es zu tun, da deine Handfläche noch blutete. ›Dieser verfluchte Soldat‹ hat vielleicht selbst nichts über Heilkunde gewusst, aber er hat zumindest gemacht, was ich ihm gesagt habe.«
Ranis Magen rebellierte erneut, als sie sich ihrer Ruhepause am Ufer des Flusses Yman erinnerte. Zumindest hatte Bashi Wort gehalten – er hatte sie anhalten und Mairs Arm richten lassen. Aber selbst er war nicht auf den Schmerz vorbereitet gewesen, den die Verletzung ihr verursacht hatte. Der Prinz war fast ebenso bleich geworden wie Mair, als das Mädchen aufschrie, und hatte nervös Wasser aus dem Fluss geschöpft, um ihr das Gesicht zu kühlen. Rani hatte ihn jedoch beiseitegeschoben, bevor er Mair diesen Dienst erweisen konnte. Sie wollte ihn nicht in der Nähe ihrer Freundin haben, irgendwo, wo er weiteren Schaden anrichten konnte. Sie wollte nicht hören, dass er sie nicht hatte verletzen wollen. Dass er nicht gewollt hatte, dass alles außer Kontrolle geriet.
»Aber wird es richtig heilen?«, fragte Rani und zwang ihre Stimme zu einer Ruhe, die sie nicht empfand.
»Woher soll ich das wissen?« Mair ließ ihre Stimme das Achselzucken vermitteln und schonte ihre Schultern. »Ich habe getan, was ich konnte. Ich bin immerhin nur ein Unberührbaren-Balg aus den Straßen der Stadt, kein Arzt. Vielleicht wird uns Bashi in Amanthia einen Heiler aufsuchen lassen.«
»Etwas, worauf man sich freuen
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