Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
Vom Netzwerk:
schloss die Augen und atmete tief ein. Während sie langsam ausatmete, wandte sie sich wieder ihrem kleinen Haus zu. Der Boden knarrte, als sie auf die Feuerstelle zuging, aber sie wusste, dass die betäubten Kinder jegliche Störung verschlafen würden.
    Crestman beobachtete sie, wobei seine Augen über dem Knebel glitzerten. Seine Narbe hob sich von der blassen Haut ab, eine schimmernde Erinnerung an König Sin Hazar. Als sich Shea neben den jungen Mann kniete, konnte sie den Schweiß an ihm riechen, die kalte, erwachsene Angst, die seine Haut unter den Fesseln benetzte.
    »Ich kann dich nicht zum König zurückkehren lassen«, zischelte sie in die stille Nacht hinein. Er blinzelte, als verstünde er. »Ich kann nicht zulassen, dass du diesen Mann zu meinen Babys führst.«
    Shea dachte an den Fluss, der durch die Wälder strömte, das kühle, klare Wasser, das seinem Körper das Leben stehlen könnte. Ihre Hände zitterten, als sie neben ihm kniete. Sie konnte ihm nicht trauen, wenn er auf sich gestellt war. Er würde gewiss König Sin Hazars Männer herbeiholen. Selbst wenn der Junge die Soldaten des Königs nicht bewusst aufsuchte, würde er gefunden, gefoltert.
    Er brauchte Hilfe. Er brauchte Shea.
    Die Augen des Löwen strahlten, als sie seine Fesseln löste, und sie schüttelte den Kopf, während sie ihm den Knebel abnahm. »Still, Junge«, zischelte sie. Dann murmelte sie, fast zu sich selbst: »Es ist an der Zeit, die Dinge zu verändern.«
    Veränderung. So vieles würde anders werden. Die anderen Kinder würden auf sich gestellt sein. Allein. Verlassen.
    Nein, sagte sie sich. Nicht verlassen. Shea hatte Tain und Hartley ausgebildet. Sie hatte ihre älteste Sonnentochter und ihren Löwensohn dazu erzogen, die anderen Kinder zu beschützen. Sie hatte sie vorbereitet, falls sie des Nachts sterben sollte. Sheas Brut konnte ohne sie überleben.
    Wenn nicht die Männer des Königs kamen und sie mitnahmen. Wenn Crestman ihnen nichts antat.
    Shea hatte keine andere Wahl.
    Sie würde entscheiden müssen, welchen Weg sie einschlug. Sie würde entscheiden müssen, wann sie essen sollten, wann sie handeln sollten, wann sie sich versteckt halten sollten. So vieles wäre beängstigend und schrecklich und notwendig.
    Shea löste den letzten Knoten, und dann half sie dem Löwen aufzustehen. Sie hielt ihn fest, während das Blut wieder in seine Beine strömte. »Warte einen Moment. Warte, bis du deine Füße wieder spüren kannst.«
    Crestman ignorierte sie und stürzte zur Tür. Er stolperte jedoch über seine nicht durchbluteten Beine, und sie fing ihn auf, bevor er fiel. Ihre Finger lagen fest um seinen Arm, als sie ihn jäh zu sich herumzog. »Das dulde ich nicht, Löwenjunge! Wenn wir auf der Straße überleben wollen, wirst du mir zuhören müssen.« Shea schluckte schwer und hob das Kinn an. »Du wirst tun, was ich sage.«
    Crestman starrte sie eine lange Minute an, und sie las die Empfindungen auf seinem Gesicht so deutlich, als wären es Sterne am Himmel. Er wollte aufbegehren. Er wollte sie daran erinnern, dass er ein Löwe war und sie nur eine Sonne. Er wollte Shea auf ihren Platz verweisen, auf den Platz einer Arbeiterin. Sie war keine Denkerin, kein Soldat.
    Shea hielt jedoch stand. Sie festigte ihren Griff um den Arm des Löwenjungen, und ihre Finger drückten zu, bis sie Knochen spürte. Schließlich nickte Crestman, eine einzige angespannte, ruckartige Bewegung des Kopfes, die ihr vermittelte, dass er verstand. Er erkannte, dass sich die Dinge geändert hatten.
    Sie verschwanden im Wald, während der Schwan über dem Horizont aufstieg.

3

    Rani stand auf dem Deck des Schiffes und schaute zu einer Küste, die ein Leben weit entfernt schien. Sie musste sich an der Reling festhalten, um ihr Gleichgewicht zu wahren. Während der vergangenen drei Tage hatten die Seeleute, wann immer sie sich die Mühe gemacht hatten, mit ihr zu sprechen, bemerkt, wie glatt die See sei. Tatsächlich war es am Tag davor so windstill gewesen, dass der Kapitän gezwungen gewesen war, seine Treiber einzusetzen, aus vier Männern bestehende Mannschaften, die riesige Ruder über das Deck vor und zurück bewegten und das Schiff so durchs Wasser vorwärtstrieben. Das Scharren der Füße der Seeleute wurde von den Liedern übertönt, die sie sangen, bewegende Shantys, wie Soldaten sie beim Trinken sangen.
    Heute war der Wind jedoch zurückgekehrt, und das Schiff schlingerte mit neuerlicher Geschwindigkeit die Küste hinauf. Ranis Magen

Weitere Kostenlose Bücher