Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
Sin Hazars Männern gefangen genommen. Wenn sie ihn gefoltert haben, werden sie uns verfolgen. Sie werden auf jeden Fall Serena mitnehmen und meine Löwen zwangsweise einziehen. Sie könnten alle Jungen mitnehmen. Sie könnten das Haus niederbrennen. Sie könnten uns alle töten.«
»Also werden wir ihn behalten. Wir werden ihn zu einem von uns machen!«
»Wir können ihm nicht trauen, Shea, und ich habe nicht genügend Löwen, um ihn jeden Tag zu bewachen. Die Eulen haben letztendlich zugestimmt. Wir werden ihn zum Fluss hinunterbringen und ertränken. Es wird wie ein Unfall aussehen, falls Soldaten König Sin Hazars später hier durchkommen.«
»Er ist noch ein Junge!«, rief Shea gequält aus, und die Worte klangen seltsam vertraut, als hätte sie sie schon in der Vergangenheit herausgeschrien.
»Er ist ein Soldat.«
»Habt ihr dem alle zugestimmt?« Shea wandte sich zu den übrigen Kindern um. Tain erwiderte ihren Blick seelenruhig. Einige der jüngeren Sonnen wirkten beschämt, aber die Löwen sahen sie alle unverwandt an. Sie sah, wie zwei der Eulen die Köpfe neigten und sie betrachteten, als wäre sie eine fremdartige Spezies.
Torino trat vor und nickte ehrerbietig. »Wir haben alle darüber diskutiert. Wir Eulen haben den größten Teil des Tages beratschlagt. Es gibt keine Alternative – der Soldat muss sterben.«
»Crestman! Nenn wenigstens seinen Namen.«
Torino schüttelte den Kopf. »Sein Name ist bedeutungslos. Er ist der Feind. Sein Tod wird es uns allen ermöglichen zu leben.«
Shea betrachtete ihre Schützlinge. Hartley erwiderte ihren Blick mit dem ernsten Ausdruck, den er benutzte, wenn er seinen Löwen ihre Wachposten zuteilte. Torino blinzelte stark, aber sein Gesicht verriet keinerlei Empfindung.
Ich möchte die Dinge wieder so haben, wie sie einmal waren, dachte Shea. Ich möchte meinen Sohn und meine Tochter wiederhaben. Sie waren gute Kinder. Sie würden Recht von Unrecht unterscheiden können. Shea hob das Kinn an und verkündete: »Ich will, dass dies dem Schwan vorgetragen wird.«
»Was?«
Sie hatte Hartley überrascht. »Ich will dies dem Schwan vortragen. Soll der Schwan die Entscheidung treffen.«
»Shea, du weißt, dass das Schwanenschloss leer ist. König Sin Hazar ist dort zuerst hindurchgezogen, als er das Kleine Heer auszuheben begann. Du hast uns selbst erzählt, dass deine eigene Tochter mitgenommen wurde.«
Sie presste bei der Erinnerung die Kiefer zusammen. »Wir haben unseren eigenen Schwan. Wir werden sie fragen.«
»Serena?« Hartley schnaubte fast vor Überraschung.
»Serena.«
»Mach dich nicht lächerlich! Sie ist ein Kind…«
»Serena«, wiederholte Shea fest und spürte die Richtigkeit ihrer Forderung.
»Gut.« Hartley blinzelte in dem trüben Licht und nickte Tain zu. »Hol sie nach unten.«
Kurz darauf führte das älteste Sonnenmädchen Serena in den Raum. Die blassen Züge des kleinen Schwans waren gefurcht, und ihre Nase zuckte beim Duft der Forelle. Sie hatte ihren Anteil gegessen, zusammen mit einem Großteil von Tains Portion, bevor sie in ihr Zimmer hinaufgegangen war.
Crestman wurde aufgerichtet, die Hände auf dem Rücken blieben fest zusammengebunden. Sein Mund war noch geknebelt. Hartley ernannte zwei Löwen, die sich neben den Soldaten stellten. »Der Gefangene hat zu schweigen«, fauchte Hartley. »Wenn er auch nur niest, tötet ihn. Hast du verstanden?« Die letzte Frage war an den gefesselten Kindersoldaten gerichtet, nicht an die Wächter. Crestman sah den älteren Löwen nur finster an.
Hartley wandte sich wieder an Serena. »Schwanenmädchen«, sagte er und verbeugte sich steif, formell. »Wir möchten, dass du eine Frage der Gerechtigkeit entscheidest.«
Serena schnupperte erneut, aber in ihren Augen flammte Macht auf. »Ja?«
»Die Löwen und die Eulen haben beschlossen, dass dieser Gefangene sterben muss. Die Sonnenfrau denkt, sein Leben sollte verschont werden. Was sagst du?«
Serenas Stimme klang schwach vor Verwunderung. »Du willst, dass ich entscheide?«
Hartley reagierte schroff, aber seine Worte waren voll tief verwurzeltem Respekt. »Du bist der Schwan. Der einzige Schwan, den wir haben.«
Shea zwang sich vorzutreten. Sie musste sich gegen ihren Löwen aussprechen. Hartley irrte sich. Torino irrte sich. Tain ebenso. Sie waren noch Kinder. Sie war eine alte Frau, und sie wusste, was richtig war. Shea schluckte schwer und sprach dann mühsam gegen lebenslangen Glauben an. »Serena, Crestman verdient es nicht zu
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