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Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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wusste. Der König von Morenia zwang sich, ruhig durchzuatmen, bevor er dem alten Weib ins Gesicht blickte. Es gab keinen Grund, sich mit Lügen zu plagen. Die Haft ertragen. Das eigene Versagen. »Ja, Glair. Ich verstehe deine Besorgnis.«
    »Besorgnis? Du denkst, ich wär besorgt?« Die Stimme der alten Frau brach bei dem Wort, und ihr Kopf zitterte stärker als bei der üblichen Schüttellähmung. »Nur ein Schwachsinniger tät denken, ich wär besorgt!«
    Nur ein Schwachsinniger. Hal hatte den größten Teil seines Lebens mit dieser Bezeichnung verbracht. Er weigerte sich, sich vom Spott der alten Frau zu einer heftigen Erwiderung verleiten zu lassen. Er zwang sich, ruhig zu sprechen, ignorierte das unnatürliche Klingen in seinen Ohren, die geflüsterten Reime, die unmittelbar unter der Oberfläche seiner Gedanken umherwirbelten. »Du musst das verstehen, Glair. Ich werde von etwas Größerem beherrscht als meinem eigenen, persönlichen Glauben, als meinem eigenen Vertrauen in die Gefolgschaft. Ich kann nicht allein beschließen, was ich für richtig oder für falsch halte. Ich muss zum Nutzen ganz Morenias handeln, für mein ganzes Volk, nicht nur für die Gemeinschaft des Jair.«
    »Nur die Gemeinschaft des Jair!« Die Stimme der alten Frau klang bei dem Ausruf schrill und wurde durch die Macht ihrer Worte noch schriller. »Hörste überhaupt, was du sagst, Junge? Hörste überhaupt, wie töricht du klingst? Wir sind die Gefolgschaft des Jair! Des Ersten Pilgers, Junge! Wir sind diejenigen, die dich auf deinen Thron gebracht haben, auch wenn es hieß, das ginge nich’, auch wenn es hieß, ganz Morenia sei an dieses Ränke schmiedende Weibsbild Felicianda verloren!« Glair spie in die Flammen, aber ein Teil des Speichels verblieb auf ihren blauen Lippen und glänzte wie eine schleimige Schneckenspur.
    Hals Magen rebellierte, und er bekämpfte den Drang, aus dem Raum zu fliehen. Stattdessen wappnete er sich und unterbrach den unaufhörlichen Spott der alten Frau. »Glair, welche Beschuldigungen hat Tasuntimanu gegen mich erhoben?«
    »Tasuntimanu?« Sie stieß den Namen wie eine Wahnsinnige kreischend hervor. Hal fragte sich nicht zum ersten Mal, ob es klug war, eine Unberührbaren-Frau ein so hohes Amt in der Gefolgschaft bekleiden zu lassen. Die Unberührbaren waren kastenlos und somit in der Hierarchie der Stadt ohne Bedeutung. Gewiss konnte man einige ausbilden, bei Adligen und den reichsten Händlern in Dienst stellen, aber die meisten Unberührbaren waren Schmarotzer, die der Stadt das Leben aussaugten. Das war der Grund dafür, warum sie regelmäßig aus den Straßen vertrieben wurden, warum der Vertreibungstag notwendig war. Das war der Grund, warum die Älteste der Unberührbaren wahnsinnig wurde und vom harten Überlebenskampf verwirrt war. Und das war auch der Grund, warum sich keine anständigen Leute mit den Unberührbaren verbanden.
    Keine anständigen Leute außer der Gefolgschaft. Außer der Gefolgschaft und den Tausend Göttern. Der Erste Pilger Jair war als Unberührbaren-Balg geboren worden.
    Hal ermahnte sich, dass er sich Glairs Sache freiwillig angeschlossen hatte, und er zwang seine Stimme zur Ruhe. »Ja, Tasuntimanu. Ich weiß, dass er unmittelbar nach unserer Ratsversammlung zu dir gelaufen sein muss. Es gibt keinen anderen Grund, warum du mich hierher gerufen haben könntest, im hellen Tageslicht. Es gibt keinen anderen Grund, warum du es riskiert haben solltest, die gesamte Gefolgschaft zu entlarven.«
    »Also biste nich’ so töricht, dass du das Risiko nich’ erkennst, das wir eingehen, hm? Du bist kein solcher Schwachkopf, dass du nich’ erkennst, wie du mich zwingst, mein eigenes Fleisch und Blut zu riskieren?«
    »Glair, du wusstest schon vor fünf Jahren, als du mich in die Gefolgschaft aufnahmst, dass ein Risiko bestand. Ich habe die Tatsache nie verheimlicht, dass ich auch andere Treuezugehörigkeiten habe, zuallererst Morenia gegenüber.«
    »Die gesamte Gefolgschaft weiß von deinen Treuezugehörigkeiten, Junge. Aber Dalarati hat sich für dich verbürgt. Er sagte, wir brauchten dich in unsrer Mitte. Dieser arme Soldat würde sich was antun, wenn er sähe, wie du die Gefolgschaft mit der Macht deiner Krone missbrauchst!«
    »Sprich mir gegenüber nicht von Dalarati!«, brüllte Hal, als sich sein Zorn mit seiner Angst vermischte. »Dalarati wusste, welche Art König ich wäre! Euch Übrige interessierte nur, was ich war – der Sohn eines Königs. Aber Dalarati kannte

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