Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
Ich erwartete, dass Ihr Euer Fleisch und Blut willkommen heißen würdet. Falls ich mich geirrt habe, solltet Ihr das nicht meinen Begleiterinnen, Ranita Glasmalerin und Mair, vorwerfen.«
Sin Hazar erschreckte alle drei Südländer, indem er laut Beifall klatschte. »Gut gesprochen, Verwandter! Feine Worte! Du sprichst tapfer.« Sin Hazar beobachtete, wie seine Komplimente das Rückgrat des Jungen stählten. »Deine Mutter wäre stolz auf dich, Sohn!« Das Kosewort ließ den Jungen einen raschen Blick auf Sin Hazars Gesicht werfen, eine innere Bedeutung im Blick des Königs suchen. Sin Hazar lächelte nun entspannt. »Es muss sehr schwer gewesen sein, die Ladys hierher zu bringen, nach Amanthia, wenn sie nicht einmal begriffen, in welcher Gefahr sie im Süden schwebten. Wenn sie nicht einmal genug wussten, um sich selbst zu schützen.«
»Euer Majestät…« Ranita Glasmalerin sprang auf den Köder an, wollte den Sachverhalt klären.
»Wir sprachen mit unserem Neffen, Lady Ranita.«
»Aber Ihr habt nicht…«
»Wir haben Euch nicht angesprochen.«
»Euer Majestät…«
»Also wirklich, wir wissen nicht, welche Unbotmäßigkeiten Halaravilli in seinem Königreich duldet, aber wir können Euch versichern, dass wir uns nicht von Gildeleuten sagen lassen, wie wir regieren sollen. In Amanthia ist es üblich zu warten, bis Euer König Euren Rat erbittet, bevor Ihr ihn anbietet.«
»Ihr seid nicht mein König!«
»Ihr befindet Euch auf unserem Boden, in unserem Schloss, von unseren bewaffneten Kriegern umringt!« Sin Hazar ließ seinen wahren Zorn ein wenig in seine Worte einfließen. Das Kind war unausstehlich! Nicht nur dachte sie, sie wüsste alles besser als ihre Oberen, sondern sie glaubte auch aus einem unbestimmten Grund, es stünde ihr frei zu sagen, was immer ihr in den Sinn kam! Sin Hazar deutete mit dem Kinn auf Al-Marai. »General, wenn sie noch ein Wort sagt, bevor wir diesen Raum verlassen, dann lasst sie knebeln, fesseln und in unsere Verliese werfen.«
Ranita Glasmalerin atmete tief ein, um zu protestieren, überlegte es sich aber offenbar anders, als Al-Marai mit einer leichten Verbeugung vortrat, den Kopf neigte und eine Hand auf sein Schwert legte. Der König wartete einen langen Moment, prüfte sie, maß ihre Dummheit. Als der Balg mehrere Herzschläge lang still blieb, wurde Sin Hazars Blick sanfter, und er gewährte seinem Neffen ein kaum angedeutetes Lächeln. »Du hast eine lange, harte Reise hinter dir. Wir sollten dir etwas zu essen anbieten, Verwandter, und wenn du deinen Bauch gefüllt hast, auch ein Bett in unserem Hause.« Der König legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter und spürte das junge Fleisch zittern wie ein Jagdhund, der unter der Berührung seines Herrn erbebt.
»Euer Majestät!« Es war das andere Mädchen, das nun sprach. »Wir baten um Euren Schutz. Wir baten Euch, uns nach Morenia zurückkehren zu lassen.«
Der König unterdrückte seine Verärgerung. Er hatte diesem kastenlosen Mädchen nicht untersagt zu sprechen. »Alles zu seiner Zeit, Lady Mair. Alles zu seiner Zeit.« Sin Hazar trat zwei Schritte auf den Eingang des steinernen Raumes zu, drängte seinen Neffen mit einer schweren Hand voran. Wie als nachträglichen Einfall wandte er sich noch einmal zu den beiden Mädchen um. »Inzwischen solltet ihr es euch in unserem Schloss bequem machen. Wir werden euch Frauen schicken, die sich um eure Bedürfnisse kümmern. Wachen! Al-Marai, begleite mich.«
Sin Hazar ließ die beiden Mädchen in dem steinernen Raum zurück, umgeben von Schlachtplan und einer Hand voll Soldaten in königlicher Uniform. Der König würde sich an sein Wort halten. Er würde Frauen schicken, die sich um Lady Ranita und Lady Mair kümmerten. Aber erst nachdem er das Brot mit seinem Neffen gebrochen hatte.
Danach begann er, den Nutzen seiner drei neuen Geiseln zu ergründen.
Halaravilli, der König von Morenia, stand im zugigen Eingang einer baufälligen Hütte und verfluchte sich selbst dafür, dass er keinen wärmeren Umhang mitgenommen hatte. Fast drei Monate waren vergangen, seit er sich das letzte Mal als Unberührbaren-Junge verkleidet durch den Geheimgang aus dem Palast geschlichen hatte, den Dalarati ihm vor so langer Zeit gezeigt hatte. Vor drei Monaten hatte die Sommersonne auf Hals und Kopf herabgebrannt, während er durch die Straßen der Stadt gelaufen war und sich durch die engen Seitenwege im Niemandsland zwischen den Stadtvierteln geschlängelt hatte.
Nun blies ein
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