Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
was wäre nötig, um den Prinzen zu manipulieren? Was wäre nötig, um sich Feliciandas Sohn gefügig zu machen? Bashanorandi war gewiss eifrig der königlichen Gunst nachgejagt – er hatte sich bei der Aussicht auf eine Schwanentätowierung praktisch eingenässt.
Sin Hazar konnte dem Drang nicht widerstehen, ein wenig mehr Druck auszuüben. Er trat hinter Bashanorandi, hielt den Jungen zwischen seiner breiten Brust und dem Spiegel gefangen. »Natürlich ist dein frisch gekennzeichnetes Gesicht noch das geringste deiner Merkmale, hm? Dein Einsatz am Schwanenschloss war dir sehr dienlich. Du hast beim Reiten deine Muskeln gestärkt.« Der König hob eine Hand zu Bashanorandis Hals, nahm das weiche Fleisch zwischen Daumen und Zeigefinger. Er rieb leicht darüber, liebkoste den Jungen, wie er einen seiner Wolfshunde liebkosen würde. Mit der anderen Hand fuhr er über den seidigen Ärmel seines Neffen, spürte den angespannten Unterarm, gab vor, die Handgelenke zu prüfen, welche königliche Hengste gezügelt hatten.
Sin Hazar hielt Bashanorandis Blick im Spiegel fest und wölbte eine Augenbraue, als der Junge heftig errötete. »Wir würden dich häufiger aus unserer Obhut entlassen«, säuselte Sin Hazar und hätte die Wirkung beinahe verdorben, indem er über die Verwirrung des Jungen gelacht hätte, »wenn wir mit solch erfreulichen Folgen rechnen könnten.«
»Euer Majestät!« Der Kehlkopf des Jungen tanzte bei Sin Hazars gefährlichem Lächeln. »Ich bin Eurer Aufforderung gefolgt! Ich habe Davin zum Hof zurückgebracht, zusammen mit der Einheit des Kleinen Heers. Und auch Ranita Glasmalerin und Mair!«
»Entspann dich, Verwandter.« Der Junge zuckte wie eine aufgescheuchte Wachtel zusammen, als sich Sin Hazar vorbeugte, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. »Wir haben dich nicht beschuldigt. Du hast uns gut gedient bisher.« Sin Hazar hielt einen Moment inne und ließ dann von dem königlichen Plural ab. »Ich erwarte in Zukunft noch mehr von dir.«
Auch wenn Sin Hazar die Hand nicht am Hals des Jungen belassen hätte, hätte er doch den jagenden Pulsschlag des Jungen gespürt. Der Junge spannte sich an, als sehne sich jeder Muskel seines Körpers danach, aus dem Raum zu fliehen. Er atmete in kurzen, verzweifelten Zügen. Wäre Sin Hazar tatsächlich geneigt gewesen, sich der Aufmerksamkeit des Jungen zu versichern, hätte er zugeben müssen, dass ihn Bashanorandis jämmerliches Entsetzen vielleicht fasziniert hätte. Der Junge verdarb es jedoch, indem er schwer schluckte und den Blick senkte. Als er sprach, konnte Sin Hazar ihn kaum hören, obwohl sie Wange an Wange standen. »D-dem würde ich gerne nachkommen, Sire.«
Sire… Der Junge hatte vielleicht Angst, hatte sich vielleicht gezwungen gefühlt, seine Männlichkeit dem Unberührbaren-Mädchen gegenüber zu verteidigen, aber er war bereit, genau diesen Bund, der ihm so zuwider war, einzugehen. Ah, Felicianda… wie konnte eine Frau von so eigensinnigem Stolz solch ein mitleidsvolles Exemplar gebären? Dennoch, wohl wissend, dass er Bashanorandi durch die Scham über sein Eingeständnis kontrollieren könnte, wenn durch nichts sonst, erlaubte sich Sin Hazar ein feindseliges Lächeln. Er legte einen Finger an die frische Schwanentätowierung, die das Gesicht seines Neffen rötete, und drückte fest zu, um dem Jungen einigen Schmerz zu verursachen. »Warten wir es ab. Nun, wenn es dir gut genug geht, könntest du mir vielleicht die Ehre erweisen, mich zu begleiten.«
»Gewiss, Sire!« Bashanorandis Lächeln ähnelte dem eifrigen Winseln eines getretenen Hundes. »Wohin gehen wir? Zum Kleinen Heer?«
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Sin Hazar gequält und machte auf dem Absatz kehrt. »Es hat zu schneien begonnen, und ich sehe keinen Grund, zu einem schmutzigen, stinkenden Lager zu reisen.«
Sin Hazar nahm die Huldigungen seiner Wächter entgegen, während er durch die Gänge lief und Bashanorandi hinter sich hertrotten ließ. Der König schritt genussvoll weit aus. Er hatte beschlossen, diese nächste Sitzung in dem steinernen Raum stattfinden zu lassen, tief unter der Feste des Palastes. Dort wurden immerhin Sin Hazars Karten aufbewahrt, mit allen Markierungen seiner Heere. Dort würden die Verräter aus dem Süden seine Macht am ehesten zu schätzen wissen.
Wie beabsichtigt, wartete Al-Marai bereits neben der detaillierten Kriegskarte auf ihn. Der General hielt seinem König ein hermelingesäumtes Gewand hin, und Sin Hazar ließ es sich von
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