Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
Intrigen und Pläne und wartete, bis wir auf einem Raubzug am entlegensten Rand des Gebietes des Kleinen Heers waren. Ich schlich mich in den dunkelsten Stunden der Nacht davon, und dann rannte ich, verwischte meine Spur auf jegliche Art, die mir das Kleine Heer beigebracht hatte.
Ich brauchte jedoch Nahrung, und es war mein Schicksal, dass ich sie einer alten Frau zu stehlen versuchte, die mich ansah, wie meine eigene Mutter es tun würde. Wenn ich meine Mutter finden könnte. Wenn sie überhaupt noch lebt.«
»Shea.«
»Ja. Diese alte Sonne hat mich auf die Idee gebracht, dass ich frei sein könnte. Wegen ihr dachte ich, dass ich dem Kleinen Heer und dem restlichen Amanthia entkommen könnte. Aber sie hat gelogen. Ich bin hier. Und ich bin von Jungen umgeben, die glauben, die töten werden, um das Kleine Heer zu schützen.
Davin schenkte mir Schuhe. Er hat mein Leben verschont, obwohl er wusste, dass ich ein Verräter war. Er wusste, dass meine Geschichten Lügen waren. Er hat mir die Leitung des Kleinen Heers übertragen, und ich konnte nichts tun, um mich zu retten. Und da ich keine Welpen zur Verfügung hatte, um mich der Treue der Jungen zu versichern, benutzte ich das nächstbeste. Ein Kind.« Crestmans Stimme brach letztendlich, und er spie das letzte Wort aus wie einen bitteren Samen.
Ranis verletztes Bein zitterte von der Anstrengung des langen Stehens. Ihre Worte zitterten ebenfalls. »Sie haben Euch dazu gezwungen!«, rief sie aus. »Sie haben Euch keine Wahl gelassen!«
»Wir haben alle eine Wahl. Sie haben mir das Messer in die Hand gedrückt, aber ich hatte eine Wahl. Ich habe sie noch immer.« Crestman hob eine Hand, hielt sie so, als berge er eine lange, gebogene Klinge. Er hob die unsichtbare Waffe an seine Kehle, schnitt mit einer Heftigkeit darüber hin, dass er kopflos gewesen wäre, wenn es eine reale Klinge gewesen wäre. Er betrachtete seine Finger, und ein bitteres Lachen entrang sich seinen Lippen.
»Nein!«, rief Rani und griff nach seinen Händen, bedeckte sie mit ihren. »Nein! Ihr könnt eine andere Wahl treffen!«
»Ich kenne keine andere Wahl! Ich habe sie vergessen! Sie wurde fortgeschnitten, wie mein Himmelszeichen aus meinem Gesicht geschnitten wurde!« Crestmans Zorn brach sich in einem wortlosen Heulen Bahn. Er tastete nach der Narbe auf seiner Wange, kratzte mit abgebissenen Fingernägeln über seine Haut. Rani ergriff seine Handgelenke, versuchte, seine Hände herunterzuziehen. Sie brauchte all ihre Kraft, um sie bis zu ihrer Taille zu senken, und die Bewegung brachte ihn ihr näher.
»Hört mir zu, Crestman! Hört zu! Ihr habt eine Wahl getroffen – die Wahl zu leben. Ihr könnt diese Entscheidung erneut treffen. Ihr habt die Macht. Ihr könnt den richtigen Augenblick abwarten und den richtigen Ort finden. Ihr könnt das Kleine Heer verlassen, ihm vielleicht sogar einen Todesstoß versetzen, wenn Ihr geht. Ihr könnt es. Ich weiß, dass Ihr es könnt.«
Sie spürte die Kraft seiner Arme, die rohe Kraft, die ihn an seinen Kameraden vorbei in den Rang eines Hauptmanns katapultiert hatte. Er entriss ihr seine Hände und packte ihre Schultern, als wollte er sie von sich stoßen. Dann, bevor sie auch nur erkannte, was geschah, senkte er sein Gesicht zu ihrem. Seine Lippen lagen heiß auf ihrem Mund, und sie hielt überrascht den Atem an.
Sie versuchte, sich ihm zu entziehen, aber er hatte sie zu fest gepackt. Sie versteifte ihre Finger und stemmte sie gegen seine Brust. Bevor sie ihn jedoch fortstoßen und entkommen konnte, hörte sie Hufschläge auf dem Gras. Crestman musste sie auch gehört haben, denn er sprang wie angestochen zurück, als hätte Rani ihm Eiswasser ins Gesicht geschüttet.
Rani schaute keuchend auf, um zu sehen, wer sie gerettet hatte. Ihre Dankbarkeit verwandelte sich jedoch in Entsetzen, als sie das prunkvoll aufgeputzte Pferd sah, als sie den Reiter erkannte, der hoch oben auf seinem Sattel saß. Sie wich von Crestman zurück, dachte kaum daran, mit dem Handrücken über ihre geschwollenen Lippen zu wischen.
»Ich grüße dich, Ranita Glasmalerin. Heil, und schön, dich zu sehen, du verräterisches Weibsbild.«
Rani spürte, wie Crestman neben ihr erstarrte, bemerkte aber kaum, dass er ihren Arm ergriffen hatte, als er sich dem Reiter zuwandte. »Bashi«, flüsterte sie im strahlenden Sonnenlicht neben der Asche des Freudenfeuers.
9
König Sin Hazar winkte seine Leibwächter fort, während er die Gästeräume betrat. Er lehnte sich gegen den
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