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Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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zwingen, dass die Spinnengildesklaven freigelassen werden müssten, gleichgültig welche Konsequenzen das hätte.
    »Ich muss es wissen«, sagte er schließlich. »Ich gebe dir mein Versprechen. Keine Gewalt gegen die Spinnengilde.«
    »Dann rede ich mit Tovin.«
    Sie wollte die Hand nach ihm ausstrecken, die Narbe berühren, die auf seiner Wange schimmerte. Er zuckte jedoch zurück, machte dann auf dem Absatz kehrt und schritt rasch durch das Lager der Gaukler davon.
    Rani schüttelte den Kopf, griff nach ihren Lappen und durchsuchte den Stoffstapel, um das sauberste Tuch zu finden. Sie tauchte eine Ecke der abgenutzten Seide in ihr Reinigungsmittel und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den Paneelen zu. Wie seltsam, dass sie gerade an dem Jungen arbeitete. Die Glasfigur zeigte ein vollkommenes männliches Kind, das ein Spielzeugpferd in einer und einen Miniaturbogen in der anderen Hand hielt. Rani rieb angesammelten Staub vom Gesicht des Kindes und spürte, wie ihr Herz zauderte, als sie sich vorstellte, wahre Haut unter ihren Fingern zu haben, eine echte Wange, vom Dienst im Kleinen Heer vernarbt.
    Sie beendete dieses Paneel und wandte sich dann dem Rosenstrauch zu, einem Paneel aus einer uralten, tragischen Fabel über eine blutrote Kletterpflanze, die auf den Gräbern zweier Liebender wuchs. Rani kannte die Geschichte. Sie hatte ihre Mutter sie vor Jahren im Händlerladen singen hören.
    Der Rosenstrauch erwuchs aus den gequälten Herzen des Mädchens und ihres Verehrers, nachdem sie durch den Hass ihrer Familien getrennt worden waren. Der stechende Duft des Reinigungsmittels trieb Rani Tränen in die Augen, und sie rieb sich mit den Handflächen verärgert über die Wangen.
    Die Blütenblätter der Rosen waren eine Studie in geflammtem Glas. Sie waren in sorgfältigen Schichten gekrümmt und in Form gelötet, damit die tiefsten, dunkelsten Farben das Geheimnis des Herzblutes versinnbildlichten. Rani hätte niemals erwogen, die gläsernen Blütenblätter so schichtweise anzuordnen. Sie hätte niemals erwogen, das Blei auf genau diese Art zu verbinden. Ein Meister hatte dieses Paneel geschaffen. Tovin.
    Als Rani nach dem nächsten Paneel griff, dem Sterngucker, ließ sie die Finger über das Meisterwerk gleiten. Wie würde er auf ihre Frage reagieren? Würde er sie zur Spinnengilde bringen – Rani, Mair und Crestman?
    Er musste es tun. Sie würde tun, was immer nötig war, um ihn zu überzeugen.
    Sie schrubbte das Sterngucker-Paneel sauber und gab sich besondere Mühe mit der komplizierten Bemalung, welche die Instrumente in den von Blei gesäumten Händen des Sternguckers hervorhob. Sie fand es schwer, auf Glas zu malen und erkennbare Muster zu gestalten. Sie könnte es jedoch lernen. Wenn ein Meister sie unterwies, ein Meister, der nicht von der Geschichte ihrer Gilde infiziert war, von der Zerstörung der Gilde aufgrund von Ranis vor langer Zeit gemachten Fehlern…
    Sie schlang die Spinnenseide um den Sterngucker und wischte das überzählige Reinigungsmittel von ihren Händen. Ihre Finger schmerzten von dem Zeug, und sie wusste, dass sie am Morgen rau wären. Das war jedoch ein geringer Preis. Ein geringer Preis für lebenslanges Lernen. Sie glättete ihre Röcke und begab sich auf die Suche nach Tovin.
    Sie musste nicht weit gehen. Mehrere Gaukler waren um die Bühne in der Mitte des Hauptplatzes versammelt. Ein Baldachin war über den Planken der Bühne befestigt worden, der die Schauspieler vor der hellen Nachmittagssonne abschirmte. Eisenpfosten waren in die Bühne eingesetzt worden; sie bezeichneten die Stellen, an denen die Paneele hängen würden, aber die Gaukler machten sich bei den Proben nicht die Mühe, die kunstvollen Glasarbeiten aufzuhängen. Stattdessen verließen sie sich auf all ihr schauspielerisches Können, um das Wesen der Charaktere hervorzubringen, die sie darstellten. Tovin lag auf einer Bank ausgestreckt und beobachtete, wie seine Mutter auf der Bühne agierte.
    »Wahrscheinlich braucht Ihr ein Mädchen, ein Mädchen, das die Aufgabe übernimmt«, proklamierte Flarissa. Die zuschauenden Gaukler lachten, während sie eine Augenbraue wölbte und eine vielsagende Geste vollführte. Rani hatte das Stück noch nicht gesehen. Sie kannte die Geschichte nicht, aber es war offensichtlich, dass Flarissa einen nervösen, jungen Mann davon zu überzeugen versuchte, sich einem Mädchen zu nähern.
    »Ein Mädchen, sagt Ihr!«, rief der jugendliche Schauspieler und ließ seine Stimme auf ulkige

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