Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
schwungvoll einen grünsilbernen Vorhang beiseite.
Mehrere Diener warteten im Gang. Der Erste hielt eine große, mit Frühlingsblumen geschmückte Servierplatte in Händen. Der Kopf eines Hirschs lag inmitten des Grüns, die Augen waren umwölkt und grau. Das Geweih war gewaltig – Mareka konnte die Größe des Tieres, das es getragen hatte, nur vermuten. Diese erste Beute war in der Tat ein gutes Omen für das kommende Jahr. Die Gehörnte Hirschkuh musste große Dinge für ganz Liantine vorhaben.
Die Diener umschritten mit der Trophäe die ganze Halle und nahmen Ehrenbezeigungen von Adligen und Aufschreie von Damen gleichermaßen gefasst entgegen. Mareka hob ihren Pokal an, als die Servierplatte vorübergetragen wurde, um die Gehörnte Hirschkuh zu ehren.
Rani Händlerin, die an Marekas Seite saß, ahmte ihre Geste nach. Das Mädchen trank nur einen Schluck und sah ihren Pokal an, bevor sie ihn wieder auf den Tisch stellte. Sie war das liantinische Getränk, den etwas scharfen Grünwein, wohl nicht gewohnt. Auch gut. Vielleicht würde sie zu viel trinken, da sie den Alkoholgehalt des Grünweins nicht kannte. Vielleicht würde Mareka mehr über die Morenianer erfahren, was bei ihrer großen Aufgabe hilfreich wäre.
Die Diener waren eindeutig angewiesen worden, den Kopf des Hirsches nicht an Prinzessin Berylina vorbeizutragen. Stattdessen liefen sie an der Rückseite der erhöhten Speisetafel entlang, an den geehrtesten Adligen vorbei, bis sie an König Teheboths Seite stehen blieben. Der König hob einen schweren Kelch zu Ehren des getöteten Tieres und trank dann in kräftigen Schlucken. Erst als der Pokal geleert war, erhob er sich.
»Mylords! Myladys!« Stille senkte sich über die Halle. »Wir sind an diesem ersten Frühlingstag auf die Suche nach der Gehörnten Hirschkuh geritten. Unsere Pferde waren schnell und unsere Hunde sicher – der Tag war uns gnädig. Laben wir uns an diesen ersten Früchten der Jahreszeit und sprechen wir unseren Dank dafür aus, einen weiteren Winter überlebt zu haben! Auf Liantine!«
»Auf Liantine!«, rief die Versammlung, und Mareka schloss sich ihnen allen an, indem sie von ihrem Wein trank. Auch Rani Händlerin trank etwas.
»Und wir heißen Besucher an unserem Hof willkommen, Adlige, die weit über das frühlingshafte Meer gereist sind. Auf König Halaravilli ben-Jair!«
Den Liantinern bereitete der Name des Gastmonarchen Probleme, und Mareka verbarg ein Lächeln hinter ihrem Pokal, während die Stimme von Rani Händlerin ein wenig zu deutlich in der Halle erklang. Ein weiterer Schluck Grünwein, und dann gab König Teheboth Lord Shalindor erneut ein Zeichen. Auf Befehl des Schatzmeisters strömten weitere Diener in die Halle, dieses Mal mit Servierplatten, die sich unter Wildbret und frisch geernteten Möhren, Rebhühnern und Brotlaiben bogen, alle mit teuren, fremdländischen Gewürzen versehen.
Während das Essen an den Tischen herumgereicht und auf die Schneidebretter gehäuft wurde, konzentrierte Mareka sich weiterhin auf die erhöhte Speisetafel. König Halaravilli kostete von jedem Gericht, das vor ihm aufgetragen wurde, konzentrierte sich aber auf Prinzessin Berylina.
Er besaß mehr Charme, als Mareka erwartet hatte – es gelang ihm, die Prinzessin direkt anzusehen. Er vermied es, ihre Zähne anzustarren, eine Grobheit, welche das scheue Kind, wie bekannt war, stets erstarren ließ. Er mied sogar die größere Gefahr, zu dem einen oder dem anderen ihrer umherschweifenden Augen zu sprechen – es gelang ihm, seine ruhigen Bemerkungen an die Mitte ihrer Stirn zu richten. Tatsächlich gelang es König Halaravilli sogar, der Prinzessin Antworten zu entlocken, was das volle Ausmaß der Macht der Gehörnten Hirschkuh an diesem Frühlingstag verdeutlichte.
Mareka konnte sich von der anderen Seite des Raumes aus nicht sicher sein, was das Kind sagte, aber Halaravilli nickte ernst und beugte sich näher zu ihr, um ihre Worte zu verstehen. Der König hob den Krug Grünwein zwischen ihnen an und lächelte, während er den Pokal der Prinzessin erneut füllte.
Die Mahlzeit ging weiter, und Unterhaltungskünstler mischten sich unter die Menge. Mareka wandte sich von den Jongleuren ab – ihre Arbeit war langweilig. Sie hatte kein Interesse an den Rätseln, die König Teheboths Spaßmacher aufgab. Sie konnte die meisten seiner schlauen Geduldsspiele nur allzu leicht lösen, und die unbekannteren waren unvermeidlich grobe Scherze. Ein Madrigalchor sang lieblich, aber das
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