Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
Lehrlingszeit aufgestiegen war. Um den achten Grad zu erreichen, hatte sie gelernt, wie man ein brütendes Weibchen von einem Käfig in einen anderen setzte. Sie hatte zum ersten Mal Octolarisnektar probiert, dessen verdünntes Gift als Schutz gegen den Biss der Spinne diente. Der Nektar hatte noch immer stark in ihren Adern gepocht, als sie den Gauklern begegnete, die verpflichtet worden waren, um das Weiterkommen der Lehrlinge zu feiern.
Sie würde nie vergessen, wie sie das Zelt der Truppe betreten hatte, während ihre Wangen vom Nektar und der Handhabung der Octolaris glühten. Sie hatte sich mit den Gauklern auf üppigen Kissen niedergelassen und jede Faser des Samtes und der Spinnenseide an ihren Händen, an ihren bloßen Armen gespürt. Sie erinnerte sich, wie sie beobachtet hatte, wie sich eine vollkommen goldene Kugel an einer Kette drehte, eine Kugel, die nicht größer als ihre Daumenspitze war, sich drehte und drehte und drehte. Eine Gauklerin – eine Frau, die kaum älter als eine Spinnen-Gesellin war – hatte Mareka gesagt, sie solle rückwärts zählen, bei ihrem Alter beginnend. Sie hatte gezählt: sechzehn, fünfzehn, vierzehn… Dann wurden die Worte zu schwer auszusprechen, die Laute zu schwierig zu formulieren.
Mareka wusste, dass sie ihre Augen öffnen konnte. Sie konnte die Hypnose beenden…
Sie hatte es jedoch nicht gewollt. Denn sie wollte ihre Geschichte erzählen. Sie antwortete auf alle Fragen der Gaukler, teilte mit ihnen alle ihre Wahrheiten. Und acht Tage später, als sie sich das Stück ansah, das sie aufführten – ein Schauspiel über ihre Hoffnungen, die Spinnengilde zu leiten und ihrer Gilde mehr Ehre und Stolz und Reichtum zu verschaffen, als diese sich jemals vorstellen könnte –, da versank Mareka wieder vollkommen in jenem seltsamen Brunnen des Friedens.
Sie entdeckte eine Tiefgründigkeit und Ruhe, die sie in ihrem alltäglichen Leben niemals kennengelernt hatte, eine Stille, die ihr sagte, dass sie nicht immer nachdenken musste, dass sie nicht immer planen musste. Sie musste nicht immer arbeiten, um die Spinnengilde zur stärksten, reichsten und erfolgreichsten Gilde zu machen. Sie durfte ruhig sein. Sie durfte in Frieden sein. Sie durfte Mareka sein.
Mareka unterdrückte mühsam ein Gähnen, während die Gaukler im Verlauf der Geschichte ihre Reime aufsagten, wie Prinz Olric Prinzessin Jerusha begegnet war, als das Haustier Katze der Spinnengilden-Gesellin in den Garten entwischt war. Die Gaukler fügten einige lustige Wendungen hinzu – das Kindermädchen beschützte aufmerksam die Keuschheit der Prinzessin, während sich die alte Frau gleichzeitig gegen den Priester stellte. Der Mond wachte über allem und machte kluge und witzige Bemerkungen. Letztendlich bestach Olric den Mond, sich hinter einer Wolke zu verbergen, um seine geliebte Prinzessin in der Dunkelheit zu küssen. Sie gab ihm ihr Jawort, und der Priester intonierte die Hochzeitsriten.
Der Mond verbeugte sich vor dem Applaus des Publikums. »Und daher hoffen wir, ihr guten Leute, dass eure Herzen euch empfahlen, uns Gaukler zu belohnen und für unsere Rollen reich zu bezahlen.«
Weiterer Applaus, weiteres Lachen, und alle sechs Gaukler sammelten die Münzen auf, die auf das Podest geworfen wurden. Alle hatten sich an dem albernen Stück erfreut. Einige der Adligen riefen dem wahren Prinz Olric lästerliche Andeutungen zu, gaben ihm Ideen für andere Gründe ein, den Mond zu bestechen. Jerusha errötete lieblich, wobei ihre Augen triumphierend blitzten, als sie eine Hand auf den Arm ihres Mannes legte.
Mareka schluckte eine scharfe Bemerkung hinunter, wohl wissend, dass es niemanden am Tisch kümmern würde, dass es Marekas Idee gewesen war, Jerushas Katze in den Garten des Königs zu schicken. Mareka hatte den Plan erdacht, der den Bund zwischen der Spinnengilden-Gesellin und dem Prinzen gefestigt hatte.
Mareka atmete tief ein, wandte sich dann Rani Händlerin zu und wappnete sich für die unvermeidlichen Schmeicheleien, die Außenstehende stets für die Gaukler bereithielten. Sie war jedoch überrascht, dass das Händlermädchen schweigend zum Podest blickte. Rani betrachtete weder Olric noch Jerusha. Sie hatte nicht einmal einen Blick für die Gaukler übrig. Stattdessen betrachtete sie die Glaspaneele, die der Jackhand über der Bühne aufgehängt hatte, als enthielten sie alle Geheimnisse der Gehörnten Hirschkuh.
Mareka beobachtete die Händlerin, während der Jackhand den Mond herabnahm. Das
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