Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
über die Welt um sie herum als jeder einzelne Händler, jede einzelne Gilde.«
»Und sie haben diese große Weisheit gewiss mit dir geteilt.«
»Einen Teil davon, ja.« Rani milderte ihre heftige Erwiderung durch die Erinnerung ans Hypnotisieren. Sie spürte den glatten Fluss blauen Glases wie etwas Physisches. Es schien, als könnte sie unmittelbar unter der Oberfläche ihrer Gedanken danach greifen. »Einiges. Und sie haben mir mehr versprochen – Wissen über ihre Glasherstellung.«
»Dann werden sie meine Fragen beantworten? Werden sie Geschichten über das Kleine Heer teilen?«
Rani zuckte die Achseln. »Das kannst du erst wissen, wenn du sie fragst. Nur zu. Es gibt keinen Grund, Angst zu haben.«
»Ich habe keine Angst.«
»Dann komm mit. Suchen wir Flarissa.«
Rani führte Crestman durchs Lager der Gaukler. Sie hatte kaum einen Tag gebraucht, um sich in dem Dörfchen auszukennen, um ihren Weg um den Kern der Holzgebäude herum zu finden, die die Mitte des Dorfes der umherziehenden Gaukler bildeten. Die Gebäude waren einfach und robust gebaut, so gestaltet, dass sie während der Zeiten, in denen die Gaukler in Liantine umherreisten, vernachlässigt werden konnten. Flarissa lebte in einem der wenigen zentralen Gebäude, weit innerhalb der sich ständig ändernden Begrenzungen durch die Zelte und Wagen. Sie wurde unter den Gauklern als eine große Anführerin angesehen. Sie hatte mehr Geschichten gesammelt, mehr Besucher hypnotisiert als jedes andere Mitglied der Truppe und wurde durch eine Hütte mit Holzwänden, einem strohgedeckten Dach und einem klaren Glasfenster geehrt.
Die Hütte grenzte mit der Rückseite ans Lagerhaus. Rani hatte dieses Gebäude noch nicht betreten dürfen. Flarissa sagte, dass es große Ballen Spinnenseide enthielte, Stoff, der zu Zelten und Polstern und Kleidung und Kostümen vernäht werden sollte. Es enthielt außerdem weiteres Handwerkszeug für die Kunst der Gaukler – Gesichtsfarben und Perücken und eine Holzwerkstatt für die Gestaltung von Zubehör für die Stücke, wie den Spazierstock des Alten Mannes, den Spiegel des Jungen Mädchens.
Und das Lagerhaus enthielt Glas. Rani hatte die Gaukler beiläufig über die Paneele reden und über die Schirme spekulieren hören, die jedes Stück kennzeichneten. Sie erfuhr, dass das Lagerhaus gekalkte Tische zum Gestalten neuer Muster enthielt sowie Bleiruten und Glas, um die Werke zu erschaffen. Es gab auch Lötmetall, um gebrochene Schirme zu reparieren, und Silber- und andere Farben…
Ranis Handflächen zuckten, als sie die Ecke des Lagerhauses umrundete. Ein schweres Eisenschloss hing an der Eichentür, stummes Zeugnis der darin befindlichen Schätze. Bisher hatte Rani sich damit begnügen müssen, den Brennofen außerhalb des Lagerhauses genau zu betrachten, sich die kluge Ziegelsteinkonstruktion anzusehen, die Luft zirkulieren ließ, um das Glas nach dem Brennen abzukühlen.
Flarissa hatte versprochen, dass der Glasmaler der Gaukler heute zurückkehren würde. Er war unterwegs gewesen, hatte mit der Spinnengilde verhandelt, hatte die neuesten Neuigkeiten der Gaukler aus dem Königreich überbracht und um Seide gehandelt. Er wurde jetzt jeden Moment zum Frühjahrstreffen zurückerwartet.
Rani unterdrückte ein erwartungsvolles Zittern, als sie an Flarissas Tür klopfte.
»Herein!«, rief die Frau sofort.
Rani schaute zu Crestman und war überrascht, die harte Linie seines Kinns zu sehen. Er legte eine Hand auf sein gebogenes, amanthianisches Schwert, bevor er das Gebäude geduckt betrat, und wirkte, als beabsichtige er, den Ort eher zu stürmen, als um Hilfe zu bitten. Rani folgte ihm, bemüht, ihre bösen Ahnungen zu verdrängen.
Sie schaute blinzelnd in die kühle Üppigkeit von Flarissas Hütte. Sie hatte sie seit ihrer Ankunft im Lager der Gaukler jeden Tag besucht und war noch immer von der Anhäufung von Wohlstand bezaubert. Ein riesiges, mit einem Vorhang versehenes Bett füllte den halben Raum aus, vom Boden bis zur Decke mit Vorhängen aus feinster Spinnenseide verhüllt. Die Feuerstelle war mit bemalten Fliesen verziert, mit sorgfältigen Mustern, die den Feuerschein einfingen und ihn widerspiegelten. Erinnerungen an Reisen waren überall verstreut – ein silbergepunzter Becher, der eindeutig aus Zarithia stammte, eine Kinderpuppe, die aus Brianta zu kommen schien.
Am auffälligsten waren jedoch die edlen Spinnenseidewebereien auf dem Boden, üppige Teppiche, die ein Spinnwebmuster darstellten. Strahlen
Weitere Kostenlose Bücher