Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
wirst für die Gefolgschaft arbeiten. Du wirst Mareka vor Dols Festtag vergiften. Und wenn du es nicht tust, dann werden andere, die du liebst, den Preis bezahlen.«
Rani spürte die Drohung ihr Rückgrat hinabgleiten wie die Schneide eines Dolches. »Was hast du getan, Crestman?«
»Ich? Ich habe nichts getan, außer dir Befehle zu übermitteln. Unsere Gefährten sind jedoch recht angetan von Kindern. Auch wenn Laranifarso ein schwieriges Baby ist. Auch wenn er schreit, wenn er nicht bei seiner Mutter ist. Auch wenn die Gefolgschaft es nicht wagt, ihm zu nahe zu kommen, ihm zu zugetan zu werden, falls sie mit ihm… umgehen müssen. Falls sie deiner Erinnerung an deine Schwüre gegenüber der Gefolgschaft nachhelfen müssen.«
»Das würdest du nicht tun!«
»Das haben wir bereits. Eile nach Hause, Ranita. Mair braucht dich. Ihr Kind wird vermisst, und sie kann nichts dagegen tun. Sie kann überhaupt nichts dagegen tun.«
»Du bist ein Ungeheuer!«
»Ich bin ein Soldat, Ranita. Das hast du früher verstanden.«
»Aber was kann die Gefolgschaft dadurch gewinnen?«
»Was kann die Gefolgschaft dadurch gewinnen, wenn Mareka aus dem Weg geräumt ist? Was kann die Gefolgschaft dadurch gewinnen, dass sie Halaravilli ben-Jair eine andere Königin an die Seite stellt, eine Frau, die einen lebenden Erben gebären kann?« Rani hörte die Drohung, die nicht einmal Crestman laut auszusprechen wagte. Wenn Hal einen Erben hätte, ein fügsames Kind, dann würde er selbst nicht mehr gebraucht. Indem er einen Sohn zeugte, würde Hal sein eigenes Todesurteil unterzeichnen. Die Gefolgschaft würde ein für alle Mal Kontrolle über Morenia erlangen.
Rani führte an: »Laranifarso ist ein Kind, Crestman. Er ist eine hilflose Schachfigur in diesem Spiel.«
»Das sind wir alle, Ranita Glasmalerin. Das sind wir alle.« Rani sah hinter Crestmans Augen Erinnerungen wogen, wahnsinnige Sorgen und Ärgernisse und Lieben. Er senkte seine Stimme, so dass Rani gezwungen war, näher an ihn heranzutreten. »Wie naiv kannst du sein?«
»Was meinst du?«
»Hältst du es für einen bloßen Zufall, dass du genau in dem Moment in Brianta bist, wo die Gefolgschaft dich hier braucht?«
»Ich bin in Brianta, weil die Glasmaler hierhergekommen sind. Ich bin in Brianta, um meine Gildeprüfung zu machen.«
»Du bist in Brianta, weil die Gefolgschaft deinem kostbaren Gildemeister befohlen hat, dich zu rufen.«
»Was? Warum?« Ranis Entsetzen verkürzte ihre Worte zu lediglich knappen Ausrufen.
Crestman lachte verbittert. »Du hast die Geschichten schon früher gehört. Ein Königlicher Pilger wird die Gefolgschaft anführen, wird alle Länder vereinen.«
Ein Königlicher Pilger. Ranis Gedanken zuckten zu Berylina zurück, zu der Vollblutprinzessin, die in ihrer Zelle eingesperrt war. War sie diejenige? Rani bekam eine Gänsehaut, als sie an die pure Macht dachte, die zwischen ihnen gewogt hatte , die Energie, die von der Hypnose befeuert wurde.
Crestman schüttelte den Kopf, als lehne er ab, was in der Zelle geschehen war. »Die Gefolgschaft hat dich nach Brianta gerufen. Sie wollte dich wissen lassen, dass die Wartezeit auf den Königlichen Pilger knapp wird. Sie wollte dir die Kräfte zeigen, die zu Jairs Weihung versammelt werden. Sie wollte dich das Aufrechnen hören lassen, dich unsere Stärke sehen lassen, um zu erkennen – ein für alle Mal –, wo du und Halaravilli und Morenia innerhalb unserer Pläne stehen. Die Gefolgschaft wollte dir eine letzte Chance geben, dein Schicksal für immer mit uns zu verbinden.«
»Ihr wollt, dass ich morde.«
»Wir wollen, dass du Loyalität zeigst. Wir wollen, dass du dich uns anschließt, wenn wir unsere letzte Bemühung um die Macht anstrengen.«
»Mareka ist meine Königin!«
»Und die Gefolgschaft ist deine Familie. Wir haben dich gerufen, Ranita, um dich daran zu erinnern. Um dich an alles das zu erinnern, was wir dir zu bieten haben. An alles das, was wir erreichen können.«
»Und wenn ich mich weigere?« Nun wagte sie es, ihm in die Augen zu blicken.
»Wenn sich Laranifarso nicht als ausreichend starker Anreiz erweist, dann achte auf deine Glasmalerprüfung, Ranita. Achte auf deine Gildearbeit. Nimm deine Mission bei der Gefolgschaft an, sonst wirst du sehen, wie sich deine kostbare Glasmalergilde ebenfalls gegen dich wendet.«
Er trat vor, und einen verrückten Augenblick glaubte sie, er wollte sie küssen. Er taumelte bei der Bewegung, verlagerte sein Gewicht von dem verletzten Bein
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