Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
bekommen müssen, nicht in deinem Alter.«
»Ich glaube an die Tausend Götter, Vater. Ich glaube an den Ersten Pilger Jair. Ich glaube an das göttliche Recht des Hauses ben-Jair, den Thron von Morenia innezuhaben. Aber ich kann nicht an einfache Männer und Frauen glauben, die auf der Erde wandeln und die Luft atmen, wenn sie mir nicht sagen, warum sie die Dinge tun, die sie tun, warum sie die Dinge befehlen, die sie befehlen.«
»Und doch würdest du alles tun, was dein König befiehlt, dein König, der – innerhalb unserer Gefolgschaft – ein einfacher Mann ist.«
Rani rebellierte sofort. Ihre Worte drangen so hitzig wie glühende Kohlen hervor. »Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug gegen die Gefolgschaft ankämpfen, wenn sie gegen Halaravilli ben-Jair vorgeht.«
Das Lachen des Heiligen Vaters klang trocken. »Entspanne dich, junge Kämpferin. Niemand geht heute noch gegen deinen König vor.«
»Aber Ihr habt es einst getan. In Amanthia. Ihr habt den Mörder Tasuntimanu Stahl gegen meinen Herrn erheben lassen.«
Dartulamino lachte erneut. »Nicht ich, Ranita Glasmalerin. Vor Jahren wollte eines unserer Mitglieder die Dinge in die eigenen Hände nehmen. Ein Mensch. Ein Wahnsinniger. Die Gefolgschaft als Ganzes war niemals darauf aus, den König zu töten.«
»Warum stellt Ihr meine Loyalität der Krone gegenüber dann jetzt in Frage?«
»Nicht nur der Krone gegenüber.« Dartulamino trat einen Schritt näher an sie heran. Alle Spuren der Leichtigkeit waren aus seinem Gesicht geschwunden, zu ernster Düsterkeit geworden. »Ich stellte deine Loyalität der Krone gegenüber, der Gefolgschaft gegenüber und sogar der Gilde gegenüber in Frage, die du so hochgehalten hast. Ich bin gekommen, um dich zu warnen, Ranita Glasmalerin.«
Ihre Handflächen waren feucht, obwohl ihre Haut tödlich kalt war. »Mich wovor zu warnen?«
»Du wirst in Brianta Wahlen gegenüberstehen. Du wirst Entscheidungen treffen müssen. Leben werden von dem von dir gewählten Kurs abhängen.«
»Welche Art Kurs?«
»Unsere Zukunft. Die Zukunft des Königlichen Pilgers.«
Rani erschauderte. Sie hatte vom Königlichen Pilger gehört. Sie schluckte schwer und zwang sich, gespielt tapfer zu sprechen. »Ich habe diese Prophezeiung schon früher gehört, aber niemals von Euch. Niemals von einem Machthaber.«
»Aber du weißt, dass der Königliche Pilger die Königreiche der Welt vereinen wird. Der Königliche Pilger wird die Fünf Königreiche unter einem Herrscher zusammenführen, sie unter dem Umhang der Gefolgschaft des Jair vereinen.«
»Wer ist dann der Königliche Pilger? Wer wird diese Dinge tun?«
Dieses Mal klang das Lachen des Heiligen Vaters aufrichtig. »Wenn ich das nur wüsste, Ranita! Wenn ich den Königlichen Pilger einfach ernennen könnte, dann wäre die Prophezeiung erfüllt. Die Gefolgschaft würde ihre Mission vollenden, und die Fünf Königreiche wären befriedet.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, Ranita. Die Prophezeiung der Gefolgschaft ist wie ein auf einem hohen Regal geborgener Pokal, ein Schatz auf einem Ehrenplatz. Das Gefäß stürzte schon vor langer Zeit herab und zerbrach. Wir müssen es so weit wie möglich wieder zusammensetzen und alle Teile, die fehlen, einfügen.«
Das Läuten der Pilgerglocke verlieh den Worten des Heiligen Vaters eine Aura des Geheimnisvollen, eine grausame Atmosphäre der Gefahr. »Aber was glaubt Ihr, wie ich helfen kann? Warum erzählt Ihr mir dies jetzt?«
»Um dich auf deine Reise vorzubereiten. Wir glauben – die Gefolgschaft glaubt –, dass deine Reise nach Brianta unsere letztendliche Geschichte in Gang setzen wird. Teile werden an Jairs Geburtsort gefunden werden. Wir werden unser zerbrochenes Gefäß zusammenfügen.«
»Es ist schön und gut, es poetisch auszudrücken, aber ich reise aus sehr speziellen Gründen. Ich werde Prinzessin Berylina begleiten, damit sie in Sicherheit ist, und ich werde die Prüfung zum Rang der Meisterin innerhalb meiner Gilde ablegen. Ich werde keine Geheimaufträge für die Gefolgschaft ausführen. Ich werde keine verborgenen Prophezeiungen suchen.«
Der Heilige Vater Dartulamino schüttelte den Kopf, als wäre sie ein widerwilliges Kind, das seine Buchstaben zu langsam lernt. »Du wirst in Brianta vielen Gefolgsleuten begegnen. Dort, wo der Name Jairs von jedem lebenden Wesen vertrauensvoll und freundlich ausgesprochen wird, können sich unsere Leute freier bewegen. Du wirst dem Kern der Gefolgschaft begegnen, und du wirst deine
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