Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
dunklen Gewänder und die hohen Kapuzen fast verborgen. Ihre Gesichter waren vollkommen von schwarzen Masken verhüllt.
Die Gefolgschaft hatte ihn darüber informiert, dass sie Mitglieder im Gildehaus postieren würde. Diese Besucher könnten ignoriert werden – die Glasmaler brauchten sie nicht zu speisen oder mit ihnen zu sprechen, sie auf keine Art anzuerkennen. Parion hatte nur allzu bereitwillig zugestimmt. Diese Einmischung war ihm vergleichsweise gering erschienen, nachdem die in Seide gehüllten Handprothesen erst eingetroffen waren. Wenn ein Gildemitglied die schattenhaften Beobachter in Frage stellte, könnte Parion erklären, sie seien Besucher von der Priesterschaft. Sie waren Beobachter, die nach Hexen Ausschau hielten, die nach Leuten suchten, welche die Segen der Tausend Götter ins Böse verkehrten. Das wäre nicht einmal eine Lüge. Zumindest keine große.
Und Parion war sich vergleichsweise sicher, dass die Gefolgschaft seinen wahren Plan nicht erkennen würde. Nicht jetzt. Nicht wo er die Saat gesät hatte, die lange Wochen zum Aufblühen brauchte. Die gewandeten Gestalten konnten zusehen, sie konnten zuhören, und sie würden nichts entdecken, was sie misstrauisch machen würde.
Aber Parion fragte sich doch, was die Gefolgschaft wollte. Was könnten sie gewinnen, indem sie in den Gängen der Gilde herumlungerten? Sie waren klugerweise vor der Verräterin eingetroffen. Wenn sie sie überhaupt bemerkte, wenn sie die Halle betrat, würde sie denken, sie wären Teil des Gildeaufgebots, irgendeine Art loyaler Glasmaler hier im religiösen Gewirr Briantas.
Aber warum verschwendete Parion auch nur zwei Herzschläge mit der Vermutung, was die Verräterin denken könnte, wie sie ein paar gewandete Gestalten beurteilen würde? Hatte er bereits vergessen, dass die Verräterin – höchstens – eine Gesellin war? Sie hatte kein Recht, die Gilde in Frage zu stellen. Sie hatte kein Recht, den Gildemeister herauszufordern. Sie würde nicht nach den gewandeten Gestalten fragen. Nicht wenn ihr ihre Zukunft als Glasmalerin etwas wert war. Nicht wenn sie zur Meisterin aufzusteigen hoffte.
Parion nickte angespannt, während er die beiden düsteren Beobachter der Gefolgschaft registrierte. Wenn sie seine Geste als Gruß verstanden, erwiderten sie sie beide nicht.
Parion wandte sich an eine verhutzelte Meisterin, eine Frau, welche vor Jahren mit ihm von Morenia hierhergereist war. »Schwester Torhüterin«, sagte er, und die beiden Worte versenkten die Halle in Schweigen, »ich glaube, wir haben hier im Gildehaus Gäste.«
»Ja, Gildemeister.«
»Bitte ladet sie in unsere Halle ein, Schwester. Bittet sie, sich uns anzuschließen.«
»Ja, Gildemeister.« Die alte Frau hob eine Hand an ihre Brust und vollführte ein briantanisches Zeichen der Ergebenheit. Parion erwiderte die Geste mit einer knappen Handbewegung. Er unterdrückte seine Ungeduld, als die ältliche Meisterin die Länge der Halle hinabschritt. Er schluckte schwer, als sie die Türen öffnete.
Natürlich war die Verräterin größer, als er sie in Erinnerung hatte. Und auch wohlgeformter. Sie war von einem Kind zu einer Frau herangewachsen. Ihr Haar war noch immer blond, war aber in einem kunstvollen Zopf aus dem Gesicht genommen, ein völlig anderes Bild als das Gewirr, das sie als Lehrling getragen hatte. Ihre Augen waren gleich geblieben – blau-grün wie Meerwasser und durchdringend wie Glasscherben.
Sie hielt ihn mit ihrem Blick fest, während sie den Raum betrat. Sie schritt stetig aus, langsam, und sie schaute weder nach rechts noch nach links. Sie hielt sich so aufrecht, als umschlösse eine Eisenlaibung ihren Körper. Sie musste sich der achtzig Glasmaler um sie herum bewusst sein – Meister, die sie zuvor gekannt hatte, Gesellen, die als Lehrlinge mit ihr gedient hatten, Kinder, die ihren Namen nur als Fluch kannten.
Vorsichtig, mit der exakten Art einer neu Bekehrten, streckte sie eine Hand zu der Gebetsglocke aus, die innerhalb des Eingangs stand. Sie berührte sie kaum, bewegte den Klöppel nur gerade weit genug, dass ein Klingen ausgelöst wurde. Also hatte sie die Gebräuche ihrer angenommenen Heimat studiert. Sie wusste zumindest einiges von dem, was in Brianta von ihr erwartet wurde. Sie war zumindest darauf vorbereitet, ihrer neuen Heimat gegenüber etwas Ergebenheit – Ähnliches zu zeigen.
Parion beobachtete sie so angespannt, dass er fast die Begleiter übersah, die ihr folgten. Zunächst kam ein großer Mann, ein
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