Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
niederzureißen, das er gerade aufbaute.
»Das ist also geregelt. Dann wirst du dich während der Zeit, in der du unser Gildehaus besuchst, Larinda Glasmalerin unterordnen. Das ist jedoch nicht unsere einzige Forderung. Wir erwarten noch mehr von dir.«
»Mehr?«
Parion hörte die Herausforderung in ihrer Kehle, sah die Unsicherheit in ihren Augen aufflackern. Er hob eine Hand, deutete streng die zweite seiner Regeln an. »Du sollst in Brianta nur das essen, was wir in diesem Gildehaus auftischen. Ich werde dir einen Teller, eine Schale und einen Becher für dich allein zuweisen.«
Er erkannte die Argumente, die sie vorbringen wollte, stellte sich die Proteste vor, die sie äußern würde – über politische Verbindlichkeiten und Pflichten sowie andere Ausreden. Er hielt ihren Blick fest, zwang sie, alle Macht seiner Position innerhalb der Gilde zu ertragen. Sie musste dem zustimmen. Sie musste sich fügen. Sonst wären alle seine Pläne nutzlos. Er unterdrückte ein Lächeln, als sie den Kopf beugte und ein Mal nickte. »Ich bin einverstanden.«
Und doch verengte er die Augen, als er erkannte, dass ein Teil von ihm ihre Unterwerfung nicht wirklich wollte. Er wollte, dass sie gegen ihn ankämpfte. Er wollte, dass sie sich falsch benähme, damit er eine Entschuldigung hätte, sie zu verbannen. Nein. Sie hatte seine Bedingung angenommen. Sie hatte die Tür zum Herzen seiner Rache geöffnet.
Er verdrängte die lebhafte Aufregung über diese Erkenntnis und fuhr fort: »Du wirst nicht mit deinem König in Kontakt treten, während du in Brianta weilst. Du wirst ihm keinen Brief schicken, keine Boten.«
»Meister«, wollte sie aufbegehren, aber sie musste die Sicherheit in seinem Blick erkannt haben, seine Entschlossenheit, in diesen Punkten unbeugsam zu bleiben. Sie beschränkte sich darauf, einen Blick zu ihren Begleitern zu werfen, einen flehenden Blick, und er stellte sich vor, dass sie sie bitten wollte, ihre Korrespondenz für sie zu erledigen.
»Keinen Brief«, betonte er. »Weder einen von deiner eigenen Hand geschriebenen, noch einen jemand anderem von dir diktierten.«
»Aber wenn der König mir schreiben sollte, muss ich antworten, Meister. Er ist mein Oberherr.«
»Du suchst bei deiner Gilde Wiedereinsetzung. Hältst du es für falsch, sich den grundlegenden Regeln zu verschwören, die jeder Lehrling gelobt? Glaubst du, du solltest besondere Ausnahmen von deinen Gildeeiden der Treue gewährt bekommen?«
»Aber gewöhnliche Lehrlinge hätten keinen Grund, mit ihrem König in Kontakt zu treten!« Sie musste die Schärfe in ihrem Tonfall bemerkt haben, denn sie schluckte schwer und senkte die Stimme. »Meister.« Sie atmete tief ein, und ihr Ausatmen klang in dem stillen Raum laut. »Darf ich dem König ein Mal schreiben, um ihm den Grund für mein zukünftiges Schweigen zu erklären?«
Handeln. Immer handeln. Die Verräterin hatte ihr Leben als Händlerin begonnen, als berechnende Diebin, die ermaß, wie viel sie hart arbeitenden Seelen auf dem Marktplatz abnehmen konnte. Er knirschte mit den Zähnen, sagte aber: »Ein Brief. Ein Blatt Pergament, ohne Beifügung. Händige es mir heute Abend um Mitternacht aus, und ich werde es für dich weiterschicken.«
»Ich bin einverstanden.« Ihre Stimme schwankte bei diesen Worten, aber sie sprach sie aus – laut und vor Zeugen.
Parion nickte und fuhr mit seinen Regeln fort. »Du wirst an Körper und Geist rein bleiben. Jeden Morgen wirst du ein rituelles Bad zu Ehren Clains ausführen, allen Schmutz deiner Haut und deiner Gedanken abwaschen. Jeden Abend wirst du einen Gebetszyklus an Clain und die übrigen Götter ausführen, die du während des Tages gekränkt hast. Du wirst von jeglicher unreinen Berührung Abstand nehmen, besonders von der Berührung irgendeines Mannes.«
Es überraschte ihn nicht zu sehen, wie ihr Blick zu dem Gaukler zuckte. Parion hatte die schweigende Geschichte der Verdorbenheit zwischen den beiden bereits gelesen. Er begriff, dass sie im unheiligen Kreis der Arme dieses Rebellen Zuflucht gesucht hatte. Parion lebte schon lange genug in Brianta, dass ihn solche sittenlosen Handlungen schockierten.
Dennoch überraschte den Gildemeister die Reaktion des Gauklers auf seine Forderung. Inmitten des Empfangsraumes, von allen Mitgliedern der Glasmalergilde umgeben, lachte der Mann laut. Er warf den Kopf zurück, ließ das kastanienbraune Haar den Schein der rauchigen Fackeln einfangen. Seine Kehle kräuselte sich, und er lachte so laut,
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