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Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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ihren Geist gesät hatte, konnte sie kaum die Stimmen irgendwelcher der Tausend Götter ausmachen.
    Berylina wurde hier geprüft. Nun, sie war schon im Hause ihres Vaters geprüft worden, und in ihrem neuen Heim in Morenia. Sie war jedes Mal geprüft worden, wenn sie – ein sechzehnjähriges Mädchen, das mit schielenden Augen und Hasenzähnen geboren wurde – irgendein besonderes Wissen der Tausend verkündete. Sie hatte solchen Herausforderungen schon früher gegenübergestanden, und es bestand kein Grund zu glauben, dass sie dieses Mal erfolglos wäre. »Heil, Heiliger Pilger Jair«, begann sie erneut. Sie zwang ihre Stimme zur Geduld. »Betrachte diese Büßerin mit Gnade und Mitgefühl…« Sie beendete den Tropus automatisch, brach bei dem Wort Weisheit ab, versuchte, sich nicht von ihren Ängsten davontragen zu lassen.
    Vielleicht hatte sie sich Jair von Anfang an falsch genähert. Vielleicht hätte sie warten sollen, bis ein Platz am Mittelaltar frei wurde, an der Plattform, die seinen Geburtsort kennzeichnete. Vielleicht hätte sie sich reinigen sollen, bevor sie zu diesem heiligen Haus kam – sie hätte noch einmal baden sollen, oder einen weiteren Tag fasten.
    Aber Jair sollte nicht so fordernd sein. Er sollte nicht so schwierig, so distanziert sein. Er war immerhin nicht wirklich selbst ein Gott. Er war ein Mensch, ein menschlicher Mann, der die Wahrheit der Tausend Götter in sich gefunden hatte. Er war ein Wegweiser, ein Führer, ein Ausgangspunkt für all diejenigen, die intensiv und wahrhaft huldigen wollten. Er war für Berylina ein Leitlicht.
    Ein weiterer Pilger betrat das Heiligtum und ließ die Gebetsglocke erklingen. Berylina sah sich im Raum um, bemüht, ihn mit neuen Augen zu betrachten. Erneut traf sie die Erkenntnis, dass bei weitem keine tausend Reliquien vorhanden waren. Es standen nur vierzig Altäre an den Wänden. Auf jedem lag nur ein Gegenstand, der dem Ersten Pilger kostbar war, etwas aus seinem Leben, von seiner Reise durch alle Kasten. Also musste jede Reliquie auf besondere Weise zählen, wenn die Symbolkraft wirken sollte, wenn die Zählung eintausend erreichen sollte.
    Zum Beispiel der Kamm. Vielleicht sollte jede Zinke einzeln bedacht werden. Vier Zinken, und der Kamm insgesamt – also zählte diese Reliquie fünffach. Der Löffel sollte eins bedeuten. Aber vielleicht bedeutete er auch zwei. Vielleicht zählten der obere Teil der Schale und der Boden der Schale getrennt. Und was das betraf, könnte der Griff vielleicht ein Gegenstand für sich sein. Oder der obere Teil der Schale, der Boden der Schale, der Griff und der Löffel als gesamte Einheit. Ein Gott, zwei Götter, drei Götter, vier…
    Was tat Berylina hier? Sie war keine Mystikerin. Sie war keine Gelehrte. Wie sollte sie erkennen, wann sie wahren Glauben ermessen hatte? Wie sollte sie wissen, wann ihre Huldigung für die Götter annehmbar war? In der Vergangenheit hatte sie stets Anweisungen erhalten, zuerst von ihren Kindermädchen, dann von Pater Siritalanu. Sie hatte stets gebetet und den Punkt erreicht, an dem die Götter zu ihr kamen, an dem sie sich in ihrem Geist offenbarten, sich in ihren Sinnen ausbreiteten. Jair schien nicht geneigt zu erscheinen. Aber er musste zu ihr kommen. Sie musste ihre Pilgerreise beginnen, indem sie den Ersten Pilger ehrte. Sie musste am Anfang beginnen, hier in diesem Haus, wo Jair die Welt betreten hatte, wo er seine mystische Reise begann. Sie wagte es nicht, ihre wahre Mission fortzuführen, die Einführung ihrer Pilgerrolle und ihre Reise zu den Heiligtümern der verschiedenen Götter, bis sie den Segen des Ersten Pilgers erhalten hatte.
    Sie kroch zitternd zum nächsten Altar.
    Die Tunika eines jungen Mannes, mit schmaler Brust, über den Hüften gebauscht, ein so uralter Stil, dass er seit Jahrhunderten nicht mehr getragen wurde. Spitze verlief die Ärmel hinab, kreuzte sich immer wieder. Berylina begann, die Löcher zu zählen – stand jedes symbolisch für einen Gott? Was wäre, wenn sie sich verzählte? Was wäre, wenn die Tunika als Ganzes gälte und etwas anderes, eine andere Reliquie, in neunhundertneunundneunzig Teile aufgespalten werden müsste? »Heil, Heiliger Pilger Jair«, begann sie, aber sie konnte sich nicht dazu bringen, das Gebet zu beenden. Stattdessen senkte sie den Kopf auf die Fäuste und kämpfte gegen Tränen an.
    Hier war sie, in Brianta, den ganzen Weg durch das Land gereist, und sie war zu schwach, ihrer Huldigung Bedeutung zu verleihen. Als die

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