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Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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einen dunklen, schweren Umhang mit einer hochgezogenen Kapuze. Rani fühlte sich seltsam nackt, während sie sich mit ihrer zurückgezogenen Kapuze in dem Raum umsah. Sie verrenkte sich fast den Hals, um die ihr am nächsten stehenden Gefolgsleute zu betrachten, und sie sah, dass sie andere Kleidungsstücke trugen – verschwommene, schwarze Schleier, die in ihren dunklen Kapuzen befestigt waren. Die Wirkung war äußerst zermürbend, denn es wirkte, als hätten die Menschen keine Gesichter. Sie schienen einen geisterhaften Körper zu besitzen, eine spirituelle Essenz, die keinen Bezug zum Leben in der physischen Welt hatte.
    Einer von ihnen stand jedoch auf einer Plattform, ein erhöhtes Podest in der Mitte des Raumes. Sie – denn Rani war sich sicher, dass diese Gestalt diejenige war, die gesprochen hatte – schien von mittlerer Größe, durchschnittlich gebaut und älter, als Rani zunächst gedacht hatte. Nichts ermöglichte es Rani, sie außerhalb der Grenzen dieses Raumes zu erkennen.
    Die Frau sprach erneut. »Wir versammeln uns im Namen der Tausend Götter, hier in der Stadt des Jair. Mögen uns die Tausend behüten und in ihrer Weisheit über uns wachen. Mögen sie uns die Kraft und die Weisheit und den Mut verleihen, all das zu tun, was wir zur Förderung ihres Namens tun müssen. Im Namen aller Tausend, so soll es sein.«
    »Im Namen aller Tausend, so soll es sein.«
    »Und wir verbinden uns im Namen des Ersten Pilgers, im Namen Jairs, der die Macht der Tausend zuerst anerkannte. Wir verbinden uns im Namen Jairs, so soll es sein.«
    »Im Namen Jairs, so soll es sein.« Rani spürte die Macht innerhalb der Gruppe aufsteigen, die Harmonie und die summende Energie der für eine Sache vereinten Menschen. Sie flüsterte die letzten vier Worte gleichzeitig mit Tovin und Mair.
    »Und wir verpflichten unsere Körper der Sache unserer Gefolgschaft, dem Dienst an den Wahrheiten und Idealen und Potentialen, die wir vielleicht durch unsere Gemeinschaft der Gläubigen zum Leben erwecken können. Im Namen der Gefolgschaft, so soll es sein.«
    »Im Namen der Gefolgschaft, so soll es sein.« Rani wiederholte die Zeile, festigte ihre Stimme.
    Die Frau auf der Plattform hob gebieterisch eine behandschuhte Hand, und ihr maskiertes Gesicht wandte sich den Ecken des Raumes zu. Rani folgte ihrer Blickrichtung, schaute an Mair und Tovin vorbei zu einer Ansammlung von Gefolgsleuten, die zwischen den Fackeln standen. Jene dunklen Gestalten traten vor, vermischten sich mit der Menge.
    Als sie vorübergingen, folgte ihnen leise Aufregung. Rani sah Gefolgsleute sich umwenden, einer zum anderen, sah sie mit behandschuhten Fingerspitzen behandschuhte Fingerspitzen berühren. Die Menschen flüsterten auch untereinander, einige murmelten so leise Formeln, dass Rani sie nicht ganz verstehen konnte.
    Dann trat die Person, die Rani am nächsten war, einen halben Schritt vor. Es musste der Gefolgsmann sein, der sie abgeholt hatte, erkannte Rani, der Mann oder die Frau, der oder die sie durch die Straßen der Stadt geführt hatte. Diese Person streckte die Hand nach Rani aus und drückte ihr einen Teil eines Laibes Brot in die Hand.
    »Im Namen der Gefolgschaft«, flüsterte der Gefolgsmann, und Rani erkannte, dass sie ein Stück Brot von dem Laib abreißen sollte. Ihre Finger glitten über die glatte Oberfläche. Der Teig war zu einem gleichmäßigen Kettenglied geflochten worden, und das Kettenglied war in sich gedreht, zu einer komplizierten Form verschlungen. Rani konnte an der Unterseite des Laibes Mehl fühlen, und ein gärender Geruch erfüllte ihre Nase.
    Sie war der Glasmalergilde verpflichtet. Sie hatte Meister Parion versprochen, dass sie außerhalb der Grenzen des Gildehauses weder essen noch trinken würde. Sie hatte geschworen, den Regeln der Gilde zu folgen, hatte einen Schwur geleistet, als sie ein zwölfjähriges Kind war.
    Sie durfte dieser Verpflichtung jetzt nicht den Rücken kehren. Nicht für einen einzigen Bissen Brot. Nicht für den briantanischen Zweig der Gefolgschaft. Nicht für neue Treuezugehörigkeiten, widerstreitende Verpflichtungen.
    Dennoch wusste Rani, dass die Gefolgschaft sie beobachtete. Sie riss an dem kunstvollen Laib, trennte einen kleinen Bissen ab. Sie reichte den Laib Mair und flüsterte sorgfältig: »Im Namen der Gefolgschaft.«
    Mair nahm das Brot rasch an und riss ebenfalls ein ansehnliches Stück ab, bevor sie es an Tovin weiterreichte. Als anscheinend jedermann im Raum ein Stück der Laibe

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