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Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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Prinzen durch meinen Ausruf niemals in die Schusslinie des Pfeils bringen wollte, der ihm das Leben nahm. Die Glasmaler sind für mich gestorben, Tovin. Sie haben jedes Mal eine Blutschuld bezahlt, wenn sie verhört wurden, die Meister und die Gesellen. Die Lehrlinge wurden verstümmelt, meinetwegen.« Verstümmelt. Das Wort genügte nicht. Diese drei Silben konnten das Entsetzen, die Grausamkeit nicht einfangen. Die Lehrlinge wurden systematisch ausgesucht, einer pro Tag – die gesamte Zeit über, in der Rani in den Straßen der Stadt umherirrte. Bei jedem Sonnenaufgang wurde ein Kind aus der Gruppe herausgerissen, auf den Hof gezerrt und auf den Richtblock gezwungen.
    Führte der Scharfrichter die Aufgabe aus? Oder gab es einen anderen Herrn, einen Schlachter, der darauf spezialisiert war?
    Jeder Lehrling wurde gezwungen, sich hinzuknien, gezwungen, die zitternden Finger auf dem durstigen, kalten Stein auszustrecken. Ein jeder wurde aufgefordert zu gestehen, einem jeden wurde befohlen, Geheimnisse preiszugeben. Von jedem wurde gefordert, Ranis Aufenthaltsort, Ranis Verbündete, Ranis Pläne zu offenbaren. Und ein jeder schwieg, konnte keine Antwort gestalten, die den alten König Shanoranvilli zufrieden gestellt hätte.
    Die Klinge fiel. Die Daumen rollten. Das Blut floss und floss und floss…
    Und Rani konnte es an der Gilde nicht wiedergutmachen. Auch wenn sie unschuldig war – da sie selbst ein Opfer war –, konnte sie die Bilanz nicht als ausgeglichen, die Schuld nicht als bezahlt ansehen. Noch nicht. Gleichgültig wie sehr sie sich von ihrer Vergangenheit zu befreien ersehnte. Gleichgültig wie sehr sie sich in die Zukunft voranzuschreiten ersehnte…
    Sie sprach in jener Nacht bewusst mit Tovin, spürte die Worte an seiner breiten Brust vibrieren, während die klagende Pilgerglocke noch durch die Nacht hallte. »Ich kann die Rechnung noch nicht als beglichen ansehen. Das muss die alte Gilde tun. Die alten Meister und Gesellen. Die Lehrlinge. Diejenigen, die überlebt haben.«
    »Du weißt nicht einmal, wo sie sind«, erwiderte Tovin vernünftig.
    »Sie sind nicht in Morenia«, stimmte sie ihm zu. »Aber ich habe Boten, Spürhunde ausgesandt. Einige Glasmaler sind in ihre Heimatländer, in ihre Dörfer zurückgekehrt. Andere haben sich in anderen Ländern versammelt, an Höfen, die freundlicher gesinnt sind, als es der morenianische Hof war.« In Brianta, dachte sie, während sie auf die Pilgerglocke lauschte. Im Heimatland Jairs, wo für alle Gnade waltete.
    Tovin zog sie näher an sich, ihren Kopf an seiner Kehle geborgen. Sie spürte den stetigen Puls dort schlagen. »Du bist zu hart mit dir.«
    »Ich bin nicht hart genug.« Sie streckte die Hände ins Mondlicht und drehte sie, um den geisterhaften Schein einzufangen. Eine Lichttäuschung ließ ihre Knochen hervortreten, als wäre das Fleisch fortgeschmolzen.
    »Du kannst die Vergangenheit nicht ungeschehen machen«, murmelte Tovin.
    Sie ballte die Hände zu Fäusten, und schließlich glitten Tränen ihre Wangen hinab. Ich weiß, dachte sie. Oh, wie gut ich das weiß. Sie ließ es zu, dass er seine Hände um ihre Fäuste legte. Sie ließ es zu, dass er sie zu sich umwandte. Sie ließ sich von ihm in die Schatten des mit Vorhängen versehenen Bettes zurückführen, das sie teilten.
    Und im Sommerlicht des Morgens schob sie die Verzweiflung, die Sorge, das hoffnungslose Klagen beiseite. Sie legte ihr feinstes Karmesinrot an und nahm an der ersten Seidenauktion der morenianischen Geschichte teil.
    »Dein Tovin wird in weniger als einem Vierteljahr hiervon profitieren«, triumphierte Mair nun, sich Ranis abschweifender Gedanken vollkommen unbewusst. »Bei Jair, er ist ein kluger Mann!«
    »Bei Jair…« Rani hörte das Echo, bevor sie etwas erwidern konnte, schaute auf und sah Prinzessin Berylina vor ihnen stehen. Das Gesicht des Mädchens zeigte eine Intensität, als lausche sie fernen Stimmen, Stimmen, deren Flüstern über das zunehmend lauter werdende Bieten vom Podest hinweg erklang.
    »Euer Hoheit«, sagte Rani und versank automatisch in einen Hofknicks. Mair tat es ihr gleich, vereinfachte den Vorgang nur angesichts ihres Sohnes. Sie hielt den Kopf erhoben, ihr Blick auf die Prinzessin gerichtet. Auch Rani beobachtete das Mädchen wachsam, als wäre sie ein wildes, in einem Stall gefangen gehaltenes Tier.
    »Ranita Glasmalerin. Lady Mair.« Es gelang der Prinzessin, Ranis Blick einen Moment zu erwidern, ein flüchtiger Blick aus ihrem rechten Auge,

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