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Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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Fleisch zu den beiden Steinen, die das Kind festhielten.
    Nur kurz innehaltend, um Mip ein lautloses Gebet darzubringen, tauchte sie unter die Oberfläche.
    Das Kind fühlte sich in ihren Armen schwer an. Er wurde nicht von den Steinen festgehalten. Er war nur von der Macht des Wassers, das oben von dem Springbrunnen herabrauschte, dagegengeschleudert worden.
    Während Berylinas Finger versuchten, ihn zu befreien, den Zugriff des Wassers zu brechen, analysierte ein Teil ihres Geistes weiterhin das Problem. Der Springbrunnen wurde von wuchtigen Pumpen betrieben, erkannte sie. Mächtige Mechanismen saugten Wasser durch Löcher zwischen den Steinen. Das Wasser wurde in einem unterirdischen Raum gesammelt und dann – sie wusste nicht, mit welcher Energie – zur Oberfläche gedrängt.
    Mip verlangte zu seinen Ehren große Opfer. Er forderte einen sprichwörtlichen Erguss von Respekt, von Glauben. Er forderte, dass Wasser zum obersten Punkt des Springbrunnens strömte, alles Wasser, das den Jungen gefangen hielt. Das Berylina gefangen hielt.
    Sie sammelte ihre verbliebene Kraft, stieß an die Oberfläche und atmete erneut tief ein. Als das Wasser um ihr Gesicht herum aufbrach, schrie sie dem großen Gott zu: »Mip! Wir kamen, um dir zu huldigen! Vernichte nicht Pilger, die dich ehren wollen!«
    Und dann kämpfte sie sich unter die Oberfläche zurück. Sie ermüdete allmählich. Ihre Knochen schmerzten. Ihr Herz hämmerte. Die Nachtigallenmusik war jenseits der Sprache ihres Körpers verloren, jenseits der Qual ihres erschöpften Fleisches. Mip, gelang es ihr zu denken. Mip. Mip. Mip.
    Sie erreichte die Doppelsteine. Sie ergriff die Hand des Jungen, nahm sie in ihre beiden. Sie schloss ihre Finger um sein Handgelenk, spürte, wie schlaff es war. Mip, dachte sie, und ihre Füße fanden den steinigen Boden des Teiches. Mip. Und sie stieß sich aufwärts, rang nach Luft und Licht und Frieden und Leben. Mip.
    Der Junge kam mit ihr. Sie durchbrach die Oberfläche des Teiches und hob die Hände, rang darum, ihr Gesicht über die Oberfläche zu bringen, rang nach Atem. Ihre Hände waren voll, beschwert, und es dauerte einen Moment, bevor ihr erstarrter Geist erkannte, dass sie erfolgreich war. Sie hatte das Kind mit hinaufgebracht.
    Diese Erkenntnis verlieh ihr eine Kraft, von der sie nicht gewusst hatte, dass sie sie besaß. Sie kämpfte sich an die Seitenwand des Teiches, zog den Jungen mit sich. Sie kletterte aus dem Wasser, ignorierte die starrenden Pilger, ignorierte die glotzenden Priester.
    Pater Siritalanu wartete auf sie, und seine Hände waren zuversichtlich, ruhig. Er hielt sie fest, als sie sich aufzurichten bemühte. Er packte den Jungen, nahm das enorme Gewicht des Kindes hoch. Erst nachdem ihre Arme leer waren, spürte sie den Schmerz in ihren Schultern, erkannte sie das scharfe Brennen von Muskeln, die überbeansprucht worden waren.
    »Mip«, flüsterte sie, und Pater Siritalanu schien zu verstehen, denn er nickte und ließ das Kind auf den Boden nieder.
    Eine Frau wehklagte, ihre Stimme den karmesinroten Schleier vor Berylinas Geist durchdringend. Sie brach lange genug ab, um zu sprechen, um Worte zu bilden, Worte, welche die Prinzessin nicht verstehen konnte, nicht definieren konnte. Die Frau riss das Kind an sich, so dass sein schlaffer Hals mit erschreckendem Knacken zurückruckte. Ihre Schreie wurden noch lauter, und sie deutete mit einem zitternden Finger auf Berylina, zornig, anklagend.
    Ein Mann trat aus der Menge hervor, und das Gewicht seines Tausendspitzigen Sterns verzog seinen Umhang. Er nahm der Frau das Kind rau ab, schob ihre zitternden Hände beiseite. Er legte das Kind auf den gischtbesprühten Stein und presste eine Faust auf den Bauch des Jungen. Er brüllte, während er dies tat, bedachte die Priester, die Frau – seine eigene Frau, wie Berylina irgendwie erkannte – mit obszönen Flüchen. Er verfluchte den Jungen – seinen Sohn – verfluchte den Eigensinn des Kindes, befahl ihm, zu reagieren, die Augen zu öffnen, wieder ins Leben zurückzukommen.
    Der Nachtigallengesang drang Berylina erneut in die Ohren. Sie verstand ihn so deutlich, wie sie die menschliche Sprache verstand.
    Sie richtete sich zu voller Größe auf und straffte die Schultern, um Pater Siritalanus Hände abzuschütteln. Sie überquerte die wenigen Pflastersteine, die sie von dem Kind trennten, und trat um seinen Körper herum, als wäre es ein großer Fisch am Strand. Sie kniete neben ihm nieder, ignorierte den Protest

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