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Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
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waren in Schichten übereinander angeordnet, stiegen wie Stufen im Schloss eines Gottes auf. Wasser rann oben von den Felsen, lief in Sprüngen und Bögen kaskadenartig herab, traf auf Oberflächen auf und funkelte, während es in der Luft zersprang. Wo auch immer Berylina hinsah, glänzten Regenbögen, wölbten sich Prismen, während sie einander einfingen und sich beugten und schimmerten. Die Muster waren stets prächtig, stets heilig, und doch änderten sie sich unaufhörlich. Die Fontäne durchlief verschiedene Muster, und Wasser prallte auf verschiedene Steinebenen herab.
    Mip. Mip war in jedem Tropfen dieses Wassers anwesend. Er war dort in den Bögen, in den Strahlen. Er war dort im Dunst, der die Regenbögen umgab. Er war dort im Teich am Grunde der Steinstufen, in den rutschigen Pflastersteinen.
    Berylina hielt den Atem an und öffnete ihren Geist für die Gegenwart des großen Gottes, spürte, wie er sie erfüllte, sich in ihr ausbreitete. Sein Gesang pulsierte in ihrem Körper, pochte in ihrem Geist. Sie hielt bei einem Trillern der Nachtigall den Atem an, stieß ihn angesichts der reinen Schönheit von Mips Gegenwart wieder aus. Unfähig, die Perfektion der Regenbögen zu ertragen, schloss sie die Augen und ließ den Gott sie von innen her erfüllen.
    Und dann, als sie glaubte, ihre gesamte Aufmerksamkeit sei Mip hingegeben, hörte sie den Schrei.
    Zunächst verdrängte sie ihn aus ihren Gedanken, dachte, irgendein Pilgerkind spiele in den Springbrunnen. Der erste Schrei klang wie ein Freudenschrei. Berylina registrierte ihn, aber sie ließ sich nicht davon ablenken.
    Der Schrei wurde jedoch wiederholt, schärfer, verzweifelter. Berylina konnte sich nicht einreden, dass der Klang ein Teil ihres Gebetes war. Sie konnte nicht glauben, dass er mit Mips zartem Nachtigallengesang zusammenhing. Sie öffnete die Augen, als erwache sie aus tiefstem Traum.
    Sie konnte den Klang nicht orten, konnte die Richtung des Schreis nicht ergründen. Vielleicht hatte sie ihn sich tatsächlich eingebildet. Niemand sonst auf dem Hof fühlte sich gestört. Die Glasmaler befestigten ihr Opfer weiterhin an dem Metallgestell. Eine Ansammlung von Pilgern kniete weiterhin am stillen Teich und beobachtete, wie das Wasser kaskadenartig über die Seiten herabstürzte. Ein ältlicher Priester stand weiterhin an dem hohen Wasserstrahl und sprach mit einer Menschenmenge eifriger Gläubiger, erklärte ihnen, dass der Wasserstrom auf die Himmlischen Tore traf, im Namen aller Gläubigen um Einlass bat.
    Sogar Pater Siritalanu schien sich der Stimme unbewusst, den verzweifelten Schrei nicht beachtend. Er kniete neben Berylina, den Kopf noch immer in eigenem, stillem Gebet gebeugt. Sie konnte aus diesem Blickwinkel den kahl werdenden Fleck auf seinem Kopf sehen. Er war ein junger Mann, aber sein Kopf würde innerhalb eines Jahrzehnts kahl sein. Der Gedanke ließ Berylina lächeln, aber dann hörte sie den Schrei erneut.
    »Hilfe!« Dieses Mal war das Wort nicht misszuverstehen. Sie wandte sich dem felsigen Springbrunnen zu, den großen Steinblöcken. Dort, zur Mitte hin, befand sich ein besonders großer Block. Wasser stürzte vom höchsten Teil des Springbrunnens herab, krachte mit aller Macht eines Wasserfalls auf den Felsen. Berylina wandte den Kopf zu einer Seite und konnte nun ein kleines Kind ausmachen, das hinter dem Wasservorhang gefangen war und entsetzt schrie.
    Sie hatte kaum Zeit, sich zu fragen, wie der Junge – denn sie konnte erkennen, wie seine dünne Tunika an seinem Körper klebte – an einen solch gefährlichen Ort geraten war. Er musste in dem Springbrunnen gespielt haben. Er war wahrscheinlich zur anderen Seite herumgegangen, den aufmerksamen Augen seiner Eltern und all der Priester und Pilger entronnen.
    Er versuchte, durch den Wasservorhang zu schlüpfen, aber es stürzte zu rasch herab, strömte zu hart. Berylina konnte erkennen, dass das Kind nur wenige Schritte von der Freiheit entfernt war. Es musste nur tapferer sein, wenn es durch den Wasserfall hindurchschlüpfte.
    In dem Moment wechselte der Springbrunnen zu einer anderen Phase. Die schweren Wasservorhänge, die das Entkommen des Jungen blockiert hatten, wurden zu einem Tröpfeln, hielten an. Stattdessen ergossen sich Ströme zwischen den Steinen. Das Wasser floss voran, als ob der Kern der Welt durchdrungen worden sei. Die Menge stieß bei der Neuerung laute Ausrufe aus, als wäre Mip selbst auf das Tempelgelände geschritten.
    Der veränderte Verlauf des

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