Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
Pater Siritalanu durch die Straßen und versuchte währenddessen, den Mahlstrom ihrer Gefühle zu ignorieren. Während sie an unbedeutenderen Heiligtümern vorüberkamen, winkten die Götter ihr zu, sandten ihre speziellen Signaturen aus. Ihre Nase füllte sich mit Gerüchen, und sie verengte die Augen in dem Versuch zu Schlitzen, umherwirbelnde, flackernde Visionen zu unterdrücken. Sie war niemals zuvor von so vielen Gottheiten umgeben gewesen. Sie hatte sich niemals zuvor zwischen so vielen heiligen Wesen gespürt.
Sie wusste, dass sie sich Mips Heiligtum näherten, als sich der Gesang einer Nachtigall über den Chor erhob. Der Vogelgesang war noch leise, zart, aber er ertönte lauter, als sie die letzte Biegung der Straße umrundete. Sie konnte die Noten in ihren Ohren spüren, aber sie reisten auch ihre Nervenbahnen entlang, in ihren Körper, in ihre Knochen.
Berylina sank auf der Schwelle des Tempels auf die Knie. »Heil, Mip, heiliger Gott des Wassers. Heiße diese Pilgerin in deinem Heiligtum willkommen, und gewähre ihr deinen Segen. Erkenne ihre Hingabe an dich, und nimm ihr Gebet als den Segen an, als den sie ihn beabsichtigt.«
Der Gott hörte sie. Sie spürte seine Aufmerksamkeit sich auf sie richten, spürte sie als eine Intensivierung des Nachtigallen-Gesangs. Berylina schaute zu Pater Siritalanu, zu der Stelle, wo der Priester geduldig neben ihr kniete, aber er schien die Macht nicht zu erkennen, die vor ihnen aufragte. Dennoch wurde der Vogelgesang lauter, und Berylina hob den Blick, erstaunt, dass keiner der anderen Pilger ihn zu hören, ihn zu spüren schien.
Das Crescendo baute sich weiterhin auf, die Noten schwebten immer süßer dahin, immer näher an ihrer wahren, unabänderlichen Bedeutung. Berylina konnte in den Hof des Tempels blicken. Sie konnte kniende und betende Pilger ausmachen. Ein Altar stand genau in der Mitte des Raumes, in der Höhe von Berylinas Taille. Ein kunstvolles Metallgestell war hinter dem Block aus glänzendem Stein zu sehen, und Berylina konnte zwei Handwerker erkennen, die an etwas arbeiteten.
Was taten sie? Was hatten sie gebracht, um Mip zu ehren?
Berylina wandte den Kopf, ließ ihr gesundes Auge sich auf die Arbeiter konzentrieren. Ah! Es waren Glasmaler! Sie installierten einen Rahmen, ein Paneel, das den Gott des Wassers grüßte.
Die grün gekleidete Prinzessin trat näher an die Konstruktion heran, näherte sich von einer Seite.
Da… Ohne dass das Sonnenlicht direkt auf die Glasarbeit schien, konnte sie das handwerkliche Können erkennen, es um der Schönheit willen erkennen, die es darstellte. Das Paneel war eine Mischung aus kühlen Blau- und Grüntönen, weiche Farben, die ineinanderwirbelten wie die Schattierungen eines Flusses. Sie fingen den Himmel ein und reflektierten ihn, brachen ihn in seine einzelnen Flächen auf. Sie fingen auch den Stein des Hofes ein, milderten ihn, glätteten ihn. Sie fingen die Essenz Mips ein.
Berylina erkannte, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Sie hatte solche Gildearbeit noch nie zuvor gesehen. Sie hatte sich nie vorstellen können, dass ein Handwerker solch ein wahres Kunstwerk mit solch einem starken Sinn für Richtigkeit erschaffen konnte. Der Nachtigallen-Gesang pochte durch ihre Glieder, während sie sich auf dem restlichen Hof umsah, nachsah, welcher der Pilger die Schönheit erkannt hatte, die Richtigkeit der Glasmalermühen.
Niemand achtete jedoch auf die Gildeleute. Pilger boten ihre Opfer dar, beteten vor Priestern, sprachen miteinander. Familien versammelten sich und teilten gemeinsame Mahlzeiten, während die Sonne auf den Zenit zustieg. Die Glasmaler hätten bei der mangelnden Aufmerksamkeit, die ihnen zuteilwurde, ebenso gut unsichtbar sein können.
Berylina beobachtete, wie die Andächtigen vor Mips Springbrunnen knieten. Es gab innerhalb der Tempelmauern drei Wasserspiele. Im ersten wölbte sich ein einzelner, hoher Sprühregen dem Himmel entgegen, durch geheimnisvolle, unterirdische Hilfsmittel zur Herrlichkeit gedrängt. Im zweiten breitete sich ein Teich vollkommen kreisförmig aus, das Wasser langsam und geheimnisvoll aufwallend und kaskadenartig über die Seiten seiner steinernen Wälle herabstürzend wie eine Wand aus flüssigem Silber, nur um in einem noch größeren, ruhigen Teich aufgefangen zu werden.
Der dritte Springbrunnen war jedoch derjenige, der ihr am deutlichsten entgegenschrie, mit einer Stimme sprach, die fast so perfekt war wie das Paneel der Glasmaler. Große Steinblöcke
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