Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mindy L. Klasky
Vom Netzwerk:
Wächter sah den Priester misstrauisch an, seine Augen so scharf wie die eines Falken. Rani hielt den Atem an und wartete, erkannte verspätet, dass sie und Pater Siritalanu vollkommen der Gnade dieses Mannes ausgeliefert waren. Die Tausend Götter mussten ihre Mission jedoch mit Wohlwollen betrachten, denn die Glocken in einem nahegelegenen Tempel begannen zu läuten. Der Lärm wurde von weiteren Glocken rund um den Hof aufgenommen sowie von einem ferneren, tieferen Läuten. Rani widerstand der Versuchung, ihre Ohren vor dem Lärm zu verschließen.
    Stattdessen beobachtete sie, wie sich der briantanische Soldat unter dem Klang entspannte. Es schien, als entnehme er dem Geläut Zuversicht, atme in seinem Frieden so mühelos, wie Rani Luft atmete. Sein zorniger Blick schwand, und Rani wurde an den alten Heiligen Vater ihrer Jugend erinnert, an den uralten Mann, der seine Worte des Gebets mit einer Leidenschaft und einer Zuversicht rezitiert hatte, dass sie selbst jetzt noch über die Jahre hinweghallten.
    »Gut«, sagte der Soldat, als die Glocken allmählich verklangen. »Ihr dürft mit der Gefangenen beten. Aber wir müssen Euch zuerst durchsuchen, um sicherzugehen, dass Ihr nichts in die Zellen schmuggelt.«
    »Wie Ihr wollt«, sagte Pater Siritalanu und beugte den Kopf so demütig, dass Rani es ihm nicht gleichtun konnte. Dennoch fügte sie sich der forschen Berührung des Wächters, erlaubte ihm, sich davon zu überzeugen, dass sie keine Waffe und kein Werkzeug bei sich trug, kein Hilfsmittel, um Berylina aus ihrer ungerechtfertigten Gefangenschaft zu befreien.
    Die Berührung des Soldaten erinnerte Rani an andere Male, als sie durchsucht worden war – vor fast einem Jahrzehnt in Morenia, als sie in die Kerker des alten Königs geworfen wurde, und vor zwei Jahren in Liantine, als sie sich der Spinnengilde in ihrer Wüstenfestung genähert hatte. Sie war aus jeder dieser Begegnungen lebend – wenn auch nicht unversehrt – hervorgegangen und versuchte, sich damit zu trösten, dass auch die unpersönliche Berührung dieses Soldaten keinen bleibenden Schaden hinterlassen würde.
    Sie war dankbar, dass sie den Regeln der Pilgerschaft gefolgt war und die Straßen Briantas ohne Waffe beschritten hatte.
    Schließlich war der Wächter zufrieden und rief einen Kameraden, der innerhalb der Gefängnistore stand. Dieser Soldat sah Pater Siritalanu und Rani mit lodernder Skepsis von oben bis unten an, kam aber einem direkten Befehl seines Kameraden nach und führte die beiden durch einen kleinen Vorraum, in ein Gewirr von Gängen.
    Rani hatte Mühe, innerhalb des Gefängnisses zu atmen. Jedes Mal, wenn sie ihre Lungen füllte, war sie versucht zu husten, die üble Aura fortzuzwingen, die auf sie eindrängte. Ihr Herz pochte unter ihrem hastig übergeworfenen Gewand schnell, und ihre Fingerspitzen kribbelten. Ihr Magen zog sich vor Hunger zusammen, aber sie fragte sich, ob sie in ihrem nervösen Zustand Essen hätte bei sich behalten können.
    Sie wollte sich umwenden und davonlaufen. Sie wollte in ihren Arbeitsraum in der Gilde zurückkehren, in den Raum, den sie mit Mair teilte. Wie hatte sie töricht genug sein können hierherzukommen, ohne auch nur ihre Unberührbaren-Freundin über ihr Ziel zu informieren? Ohne es Tovin zu sagen, ohne ihn zum Schutz und aufgrund seiner sarkastischen Weisheit mitzubringen? Welch törichte Wahl hatte sie getroffen? Wie konnte sie weitergehen?
    Pater Siritalanu musste die Panik gespürt haben, die sich in ihr aufbaute. Er schaute zu ihr, als sie an einer besonders düsteren Stelle innehielt, und vages Mitgefühl stand in seinen Augen.
    Rani dachte, dass er sprechen wollte, dass er ihr einige Worte des Trostes zukommen lassen wollte, aber dann blieb der Wächter jäh vor einer mit Eisenstangen versehenen Zelle stehen.
    »Mylady!«, rief Pater Siritalanu aus, und Ranis Aufmerksamkeit wurde auf den kleinen Raum gelenkt.
    Berylina saß auf einer Steinbank an der gegenüberliegenden Seite der Zelle, unter einem einzigen schmalen Fenster starr. Sie lehnte mit dem Rücken an der Wand, und es schien, dass der Stein die einzige Kraft war, die sie aufrecht hielt. Sie hatte die Knie bis unters Kinn hochgezogen, und ihre Finger umklammerten ihre Schienbeine, als versuche sie, eine übermäßige Gemütserregung zu zügeln.
    Oder als friere sie.
    Rani konnte selbst in dem trüben Licht der flackernden Fackel des Wächters sehen, dass die Prinzessin zitterte. Ihre Lippen waren blau verfärbt, und ihr

Weitere Kostenlose Bücher