Die Gilden von Morenia 04 - Die Prüfung der Glasmalerin
Gesicht wirkte über dem Grün ihrer Caloyagewänder aschfarben. Das durchtränkte Grün – ihre Gewänder waren eindeutig durchweicht.
»Ihr habt sie nicht einmal trocknen lassen, bevor Ihr sie hier hineingeworfen habt?« Pater Siritalanus Stimme hallte von der niedrigen Decke wider, und sein Gesicht wurde purpurrot vor Zorn. »Sie hat Mips persönliche Mission ausgeführt, und doch lasst Ihr zu, dass sie sich hier erkältet und den Tod holt?«
»Sie ist eine Gefangene, Pater.« Der Wächter antwortete prompt, aber dann schluckte er unbehaglich. Er war es eindeutig gewohnt, Priestern Dinge zu überlassen, sich der Macht der Tausend Götter und all ihrer irdischen Stellvertreter zu beugen. »Sie ist der Hexerei angeklagt, Pater. Wenn sie sich in ihrer Zelle unwohl fühlte, würde sie doch gewiss ihre gottlosen Mächte anrufen, damit sie sie wärmten.«
»Wenn sie eine Hexe wäre, würde sie das vielleicht tun«, fauchte Rani.
Pater Siritalanu sagte: »Sie ist ein Kind! Ein gesegnetes, umsichtiges Kind, das heute Morgen das Leben eines anderen Kindes gerettet hat.« Der Priester seufzte, als erkenne er, dass weitere Argumente nutzlos wären. »Lasst mich dort hineingehen.«
Der Wächter schüttelte den Kopf. »Ihr dürft mit ihr sprechen, aber Ihr dürft die Zelle nicht betreten.«
Rani widersprach, erinnerte sich, mit dem Arm eine weit ausholende Geste auszuführen, als agiere sie auf der Bühne der Gaukler. »Seht sie Euch an! Sie kann nicht einmal zur Tür kommen! Lasst uns hineingehen!«
Der Wächter schüttelte nur den Kopf, eine knappe Bewegung, und dann verschränkte er die Arme vor der Brust und schaute fort. Rani blickte zu Berylina, sah, dass sie der Weigerung des Wächters nicht einmal folgte. Das Mädchen blickte nach rechts, versuchte nicht, mit ihrem gesunden Auge zu sehen, versuchte nicht, den Hals zu recken, um die drei freien Menschen in den Blick zu bekommen.
»Erkennt Ihr, was Ihr tut, Soldat?« Rani vergaß jegliche Ähnlichkeit mit der Kunst der Gaukler, während Zorn sie vereinnahmte. Ihre Stimme klang innerhalb der Steinmauern schrill. »Dieses Mädchen ist eine Prinzessin des Landes Liantine, Erbin des Hauses Donnerspeer. Sie ist ein geschütztes Mitglied des Hofes Halaravilli ben-Jairs. Wenn ihr Vater… wenn mein König… Wenn sie herausfinden, dass Ihr Prinzessin Berylina Donnerspeer wie eine gewöhnliche Hure behandelt habt, werden Heere erhoben werden! Die Prinzessin ist eine Pilgerin, im Namen all der Tausend Götter! Sie kam als Gläubige nach Brianta! Sie besitzt eine Pilgerrolle und einen Tausendspitzigen Stern!«
Rani hielt mit ihrer Tirade inne, weil sie Luft holen musste, weil sie ihre Lungen füllen und irgendein Argument ersinnen musste, das diesen Soldaten überzeugen könnte, diesen einfältigen, engstirnigen Wächter, diesen Dummkopf…
Pater Siritalanu trat vor und klopfte dem Mann auf die Schulter. Der Priester beugte sich nahe zu ihm und sagte: »Ich verstehe, mein guter Mann. Ich verstehe Eure missliche Lage.« Und als der Pater zurückwich, trat der Wächter zur Tür und öffnete sie mit einem raschen Ruck eines der Schlüssel, die an seiner Taille baumelten.
Rani sah erstaunt zu, wie Pater Siritalanu über die Schwelle trat. Erst als der Wächter beiseitewich, damit sie ebenfalls vorbeitreten konnte, sah sie das Gold in seiner Handfläche glänzen, den Rand einer Münze, die er in eine Tasche neben dem Schlüsselring steckte. Er wandte sich langsam um und lief mit sichtbarer Unbekümmertheit den Gang hinab. Rani schüttelte den Kopf und unterdrückte einen Fluch, bevor sie die Zelle betrat und mit zwei raschen Schritten zu Berylina hinüberging.
»Mylady«, sagte Pater Siritalanu gerade, während er einen Arm um seinen Schützling legte. »Ihr müsst frieren! Habt jetzt keine Angst mehr. Wir sind bei Euch.«
»Ich habe keine Angst, Pater.« Der Atem der Prinzessin ging hoch und schwach, wie Wolken am heißesten Sommertag. Rani konnte winzige Blutstropfen auf ihren Lippen sehen, wo die Zähne die Haut beim Zittern durchbohrt hatten.
»Wir sind jetzt hier, Mylady«, sagte der Priester erneut, füllte die tödliche Stille mit tröstlichen Worten. Er nahm den Umhang von seinen Schultern und legte ihn um die Prinzessin. Ihre Haarspitzen waren noch immer nass, aber die Haarwurzeln waren getrocknet, so dass die drahtigen Strähnen von ihrem Kopf abstanden. »Ihr seid nicht mehr allein«, flüsterte er.
»Ich war niemals allein, Pater.« Die Prinzessin musste
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