Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
Zeit zerschlagen worden – noch vor dem Verlust seiner Erben, noch bevor Soldaten ihn aus seinem Heimatland vertrieben hatten. Seine Träume waren zerschlagen worden, als ein Pfeil seinen älteren Bruder tötete, als er seine Zinnsoldaten aufgeben und wahre Männer aus Fleisch und Blut befehligen musste. Fleisch, das verletzt werden konnte. Blut, das fließen konnte.
Blut, das mitten im Haus der Tausend Götter geflossen war.
Blutiger Guss. Kein Leibesgenuss. Bitterer Feindeskuss.
Hals Geist wurde erneut von der verzweifelten Verwirrung jener dunklen Momente in dem geheimen Gang unter dem Altar bestürmt. Er konnte sich an das Geräusch seiner auf dem Kathedralenboden über ihm kämpfenden Männer erinnern, an den Gestank nach Rauch und Blut und Zerstörung, während sie ihr Leben gaben, um ihn zu beschützen. Er hatte mit seinen Beratern endlose Herzschläge lang dort gekauert, bevor jemand – Farso? Mair? Das war selbst jetzt noch nicht klar – sie durch die Dunkelheit führte, den verborgenen Gang entlang, unter die Straßen der Stadt, zum verlassenen Ersten Hafen am Rande des ältesten Bezirks der Stadt hinaus.
Da hatte Hal gegen seine Berater angekämpft. Er hatte argumentiert, er könne Moren nicht entfliehen, könne seine Stadt nicht im Stich lassen, wenn wütende Heere ihre Straßen durchstreiften. Er hatte geschworen, die Briantaner niederzumetzeln, versprochen, die Liantiner zu vernichten.
Seine treuen Männer wollten jedoch nichts davon hören. Sie drängten ihn zu einem tief liegenden Boot und warfen ihm einen Umhang um die Schultern, um einen Hafenmeister zu täuschen, von dem sich erwies, dass er nicht auf seinem Posten war. Sie alle ignorierten ihn – Puladarati, Farso, sogar Rani Händlerin.
Erst als sie aus dem Hafen hinausgelangt waren und auf dem offenen Meer tanzten, konnte Hal zu dem Grauen hinter sich zurückblicken, zu dem aufsteigenden Rauch. Die schwarzen Wolken durchdrangen seine Sinne ebenso vollständig, wie sie den Himmel ausschlossen. Er konnte seine treuen Gefolgsleute nicht ansehen. Er konnte ihnen nicht zuhören. Er hörte kaum Farso Racheschwüre ausstoßen. Er konnte kaum Pater Siritalanu ausmachen, der die Namen der Tausend intonierte und um ihre Gnade und Führung bat. Er war sich kaum Puladaratis großartigen Widerstands bewusst, der wie ein verletzter Löwe brüllte, während er beobachtete, wie die Briantaner durch die Straßen schwärmten.
Das lauteste Geräusch jedoch, die klarste Stimme, war Mairs – Mairs verrücktes Plappern, während sie dem schwärzen Seidenquadrat um ihr Handgelenk die Ereignisse schilderte. So viele Leben verwirkt, so viel für so wenig eingehandelt…
Letztendlich hatte nur Rani ihn überreden können, die Reling zu verlassen. Sie hatte seinen Kopf gewaltsam abgewandt und ihn die schmale, enge Treppe in den Laderaum hinuntergeführt. Sie hatte ihn seinem Knappen übergeben und ihm gesagt, er müsse seine königlichen Gewänder ablegen, er müsse jene Kleider verbrennen, jetzt, bevor sie ihn belasten könnten. Sie hatte ihm gesagt, er solle stark sein.
Und er hatte ihr zugehört. Er hatte zu planen begonnen, noch bevor die Sonne an jenem ersten düsteren Tag der Verbannung untergegangen war. Er hatte die Schiffskarten und Landkarten zu Rate gezogen. Er hatte sein kümmerliches Heer in langen Strategiebesprechungen angeführt, während das Boot rollte, während er sich selbst untersagte, sich die Ruinen seiner Hauptstadt vorzustellen.
Er hatte Verlässlichkeit und Geschwindigkeit ausgewogen, Sicherheit und Stärke berechnet. Letztendlich hatte er sie überzeugt, dass sie nach Sarmonia ziehen sollten, zu dem südlichen Königreich, das bisher nicht in Morens grausame Politik verwickelt war.
Sarmonia war natürlich riskant. Es war kein Zufall, dass sich König Hamid aus den Kämpfen zwischen seinen nördlichen Nachbarn zurückgezogen hatte. Er betrieb Handel mit Liantine, aber er hatte fast keine Verbindungen zu den fernen Briantanern. Er hatte während der vergangenen Jahre begonnen, Spinnenseide von Hal zu erwerben, gefährdete mit Freuden seine eigenen kostspieligen Bande zu der ursprünglichen Spinnengilde. Aber würde er die Waffen gegen Liantines kriegerisches Haus Donnerspeer erheben? Würde er sein eigenes Königreich aufs Spiel setzen?
Inmitten der Unsicherheit überzeugte Hal seine Gefolgsleute davon, dass sie nicht unmittelbar an Hamid herantreten könnten. Sie sollten die großen Küstenstädte Sarmonias vollkommen meiden, an
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