Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
brummend erkannte sie, dass sich die letzten Kräuter, die sie brauchte, in der Ecke ihrer Hütte befanden.
Sie murrte, während sie sich hochmühte. Sie könnte auch selbst von dem Gebräu profitieren, wenn sie es zubereitet hätte. Sie verzog das Gesicht bei dem langsam einsetzenden Schmerz in ihren Oberschenkeln. Jene Muskeln waren vielleicht seit Jahren ungeübt, aber Tovin Gauklers Spiele zwangen sie, ihren Körper zu fordern. Sie lächelte und schüttelte den Kopf, schloss die Augen bei der Erinnerung an die Worte, die er während der Nacht geflüstert hatte. Die Worte eines jungen Mannes… Die Worte eines törichten Jungen…
Sie hörte den Schlag einen Moment, bevor sie ihn spürte. Ein Arm bewegte sich durch die Luft. Wäre sie noch eine junge Frau gewesen, hätte sie sich auf dem Knie drehen können, hätte sie sich von ihrem Angreifer wegducken können. Nun hatte sie nur einen Moment Zeit, um sich gegen den sicheren Schmerz zu wappnen.
Und da war Schmerz. Der Schlag seitlich an ihrem Kopf kam von einer harten, gewölbten Hand. Sie konnte einen Augenblick nur benommen blinzeln, und dann hörte sie den Widerhall in ihren Ohren, das gedämpfte Poltern von Donner. Tränen liefen glitzernd ihre Wangen hinab, ohne auf ihre Erlaubnis zu warten, und sie stieß einen lauten Fluch aus, der ihre Mutter hätte erröten lassen.
Sie wandte sich zu ihrem Angreifer um, streckte sich seitwärts, damit sie den Schürhaken ergreifen könnte, der am Rand ihrer Feuerstelle lehnte. Er – es musste ein Mann sein, wenn man die Kraft des Schlages bedachte – sah ihre Bewegung voraus und fing sie ab, schlug sie zu Boden und stellte seinen Stiefel auf ihr Handgelenk.
Sie bezweifelte nicht, dass er seine Drohung wahr machen könnte, sein Gewicht herabsenken und ihre dünnen Knochen zu Staub zermahlen könnte. Sie stellte sich blitzartig den Schmerz vor, die benommen machende Qual. Schlimmer als der Schmerz wäre jedoch der Verlust ihrer Hand. Wie könnte sie dann ihre Tränke brauen? Wie könnte sie dann ihre Kräuter ernten? Sie wusste vielleicht mehr über Kräuterkunde als alle ihre Schwestern, aber sie wusste dennoch nicht genug, um eine zerstörte Hand zu heilen.
Sie spreizte die Finger auf der Kaminplatte, presste die Handfläche gegen den Stein. Ich bin keine Bedrohung, dachte sie. Ich werde Euch nicht verletzen. Lasst mich in Ruhe. Ich bin keine Bedrohung.
Der Atem des Eindringlings klang in der kleinen Hütte rau, verfing sich in seiner Kehle, als ringe er mit sich selbst. Sie vermutete, dass er sich nicht sehr angestrengt hatte. Sie spürte die Kraft in dem Fuß zittern, der über ihrem Handgelenk schwebte. Sein Atem verfing sich eher durch die Aufregung über die Jagd.
Wie lange hatte er sie beobachtet? Wie lange hatte er darauf gewartet, dass Tovin Gaukler gehen würde? Hatte er sie am Feuer reden hören, als die Sonne aufging? Hatte er die sanften Worte des Gauklers gehört, als er sie erneut aufs Lager lockte, bevor der Tag begann? Hatte er die Versuche des Gauklers gehört, sie zu einer Hypnose zu überreden, ihre Proteste gehört, ihr kehliges Lachen, während sie den Reisenden rasend machte.
»Was?«, knurrte sie. »Was wollt Ihr?«
Er senkte seinen Stiefel, legte Gewicht in seinen Fuß. Die Nerven in ihrer Hand protestierten, schrien gegen den Druck an, und sie wollte sich aufbäumen, diesen beherrschenden Kerl abwerfen. Sie hatte das schon früher getan – einen Mann abgewehrt, der entschlossen war, ihr Schaden zuzufügen, sie zu verspotten und lächerlich zu machen, nachdem sie törichterweise zugestimmt hatte, ihn den Winter über bleiben zu lassen.
Kella hatte an jenem Rache genommen. Sie hatte Frauenblatt in seinen Eintopf, in sein Brot gemischt und über das gebratene Fleisch gestreut, die sie während der langen Winterruhe zubereitet hatte. Er war natürlich misstrauisch gewesen. Er hatte sie kosten lassen, bevor er etwas probierte, was sie zubereitet hatte. Das Kraut hatte ihr nichts angetan, hatte nur ihr Haar im Tageslicht ein wenig heller schimmern lassen.
Zu Männern war Frauenblatt jedoch weniger freundlich. Das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte, trug er ein weites Wams, versuchte die kleinen Brüste zu verbergen, die ihm gewachsen waren. Tatsächlich waren nun alle seine Kleider weit. Seine Hose hing im Schritt durch, denn seine Hoden waren mit jedem Bissen, den er genommen hatte, geschrumpft.
Rache. Kella könnte sie haben, wenn sie lange genug lebte. Wenn sie herausfand, was der
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