Die gläserne Gruft
Totenkrone finden kann?«
Professor Pflug verzog die Lippen zu einem säuerlichen Lächeln. »Es wäre schön, wenn ich das wüsste.«
»Aber du kannst nachschlagen«, sagte Carola. »Du bist ein Bücherwurm und weißt, wo gewisse Dinge aufgeführt sind.« Sie schaute ihn beinahe beschwörend an. »Ich meine, da müsste es doch eine Chance geben. Totenkrone ist ja nicht Totenkrone. Diese bestimmte ist möglicherweise aufbewahrt worden und hat auch die verdammt schweren Zeiten überstanden. Dann müsste sie auch zu finden sein.«
Harald Pflug stöhnte auf. »Du bist wirklich ein Quälgeist, Carola Schiller.«
Sie lächelte ihn offen an. »Liege ich denn damit wirklich so falsch?«
»Nein, nein, das wohl nicht. Aber es bedeutet wieder eine große Arbeit für mich.«
»Das tust du doch gern.«
»Ha, ha.«
»Ich kann dir auch helfen.«
»Nein.« Harald Pflug hob seine Hände. »Bitte, nur das nicht, Carola. Du kannst dich zusammen mit Frau Hansen um andere Dinge kümmern. Du musst mir dann nur noch sagen, unter welcher Handynummer ich dich erreichen kann.«
»Gern.« Carola schrieb ihm die Zahlenreihe auf, und er steckte den kleinen Zettel ein. »Ich werde mich melden.«
Carola stand auf und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. »Danke, Harald, du bist ein Schatz.«
»Ja, ja, wenn die anderen nicht da sind.«
»Wie kannst du so etwas nur behaupten?«
So anstrengend der Besuch und das Thema auch gewesen waren, beide Frauen verabschiedeten sich mit einem Lächeln von dem Professor. Draußen auf der Straße atmeten sie durch. Die Dunkelheit lag über der Stadt und hatte dafür gesorgt, dass überall die Lichter eingeschaltet worden waren und ihren bunten, aber auch kalten Glanz verströmten.
»Was sagen Sie, Dagmar?«
»Es war nicht schlecht. Wir wissen jetzt Bescheid.«
»Dann glauben Sie auch, dass die Totenkrone die Spur ist, die uns zum Mörder führt?«
»Ja, das denke ich. Wie sollten wir sonst seine Fährte aufnehmen können? Er kommt. Er verschwindet wieder. Er ist ein Schatten, ein Geist und...«
»Kein Nachahmer?«
Dagmar schwieg. Sie schaute in das Gesicht der Archäologin. »Glauben Sie das denn?«
»Ich will es zumindest nicht ausschließen.«
»Das kann ich auch nicht«, gab Dagmar zu. »Trotzdem sagt mir mein Gefühl, dass gerade das Unwahrscheinliche das ist, das uns der Wahrheit am nächsten bringt.«
»Gut gesprochen«, lobte Carola Schiller. »Aber wir haben noch ein Eisen im Feuer.«
»Welches?«
»Ihr Freund und John Sinclair.«
Dagmar stimmte zu. »Allerdings bin ich der Meinung, dass wir mehr herausgefunden haben. Und das werden wir ihnen auch sagen. Kennen Sie die Anschrift dieses Ecki Müller?«
»Ja, Sie auch, Dagmar.«
»Nur weiß ich nicht, wie man dort auf dem schnellsten Wege hinkommt.«
Carola lachte. »Keine Sorge, ich bin ja bei Ihnen...«
Gut, ich hatte schon öfter mit Henkern zu tun gehabt. Aber niemand hatte sein Zeichen auf einer Fußmatte hinterlassen.
Und dieser Kopf lag auf der Matte!
Die Stufen der Treppe war ich hinaufgestürmt. Nun aber ging ich sehr langsam weiter und hatte das Gefühl, dass sich um meinen Magen herum eine Rolle Stacheldraht drehte. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Ich ging selbst neben mir her, und meine unmittelbare Umgebung schien sich meilenweit zurückgezogen zu haben.
Ich sah nur den Kopf!
Er lag auf der Matte!
Ich merkte auch, dass das Blut aus meinem Gesicht gewichen war. Sehr blass beugte ich mich vor, um den Kopf genauer zu untersuchen. Ich bin kein Arzt, aber es war zu sehen, dass man ihn mit einem glatten Hieb vom Körper getrennt hatte.
In den Augen war kein Leben zu sehen. Für mich zeigte der Blick trotzdem etwas. Ich sah in diesem Ausdruck die grenzenlose Angst, unter der der Mann in den letzten Sekunden seines Lebens gelitten haben musste. Dieser verfluchte Henker musste ihn völlig überrascht haben.
Ich konnte wirklich nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, als ich neben mir die Stimme meines deutschen Freundes hörte.
»Mein Gott«, flüsterte Harry, »damit haben wir nicht rechnen können. Das ist ja entsetzlich.«
»Du sagst es.«
»Und jetzt?«
Ich kam mir vor wie aus einem längeren Schlaf oder aus einer Starre erwacht. Sehr bedächtig richtete ich mich aus meiner leicht gebückten Haltung auf. Ich schaute in Harry’s blasses Gesicht, und meine Umgebung rückte jetzt wieder näher heran. Es hatten sich einige Bewohner versammelt. Aber sie trauten sich nicht näher heran. Wie eine
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