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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Licht. «Ist das ein Zauber?», fragte sie.
    «Ja, ein ganz besonderer. Komm näher, dann erkläre ich es dir.»
    Leonora presste ihr Gesicht an das Gitter. Als er sah, wie die goldenen Sprenkel in ihren grünen Augen in der Sonne funkelten, blieb ihm vor Rührung fast das Herz stehen.
    Es gibt eine Schönheit auf der Welt, die ich niemals werde nachahmen können.
    «Ascolta, Leonora. Ich muss für eine Weile fortgehen. Aber dieses Herz sagt dir, dass ich in Gedanken immer bei dir bin. Und wenn du es anschaust und in der Hand hältst, dann weißt du, wie sehr ich dich liebe. Versuch es einmal.»
    Ihre Finger schlössen sich um das Herz, und sie machte die Augen zu. «Kannst du es spüren?», fragte Corradino leise.
    Leonora öffnete die Augen wieder und lächelte. «Ja.»
    «Siehst du, ich habe dir doch gesagt, dass es ein Zauber ist. Hast du denn das Samtband noch, das ich dir an deinem letzten Geburtstag gegeben habe?»
    Sie nickte.
    «Dann fädele es durch das kleine Loch, das ich in das Herz gemacht habe, und häng es dir um den Hals. Zeige es keinem - vor allem der Priorin und Padre Tommaso nicht.» Das Herz noch immer fest in der Hand, nickte sie ernsthaft.
    «Wann wirst du wiederkommen?»
    Er wusste, dass er nicht zurückkehren würde. «Eines Tages.»
    Sie schwieg für einen Augenblick. «Ich werde dich vermissen», sagte sie dann leise.
    Ihm war, als risse man ihm die Eingeweide heraus   wie den Fischen auf der pescheria, dem Fischmarkt. Er wünschte, sie in das einweihen zu können, was er vorhatte - er wollte sie zu sich holen, sobald es sicher genug war. Aber er wagte es nicht. Je weniger sie wusste, desto besser.
    Was sie nicht weiß, kann sie nicht weitererzählen. Und was sie nicht erzählen kann, kann nicht eines Tages gegen sie verwendet werden. Je weniger Hoffnungen sie sich macht, desto geringer ist die Enttäuschung. Ich kenne das Gift der Hoffnung nur allzu gut, dieses ständige Warten und Sehnen. Was ist, wenn ich sie nie nachkommen lassen kann?
    Also sagte er nur: «Ich werde dich auch vermissen, Leonora mia.»
    Erneut streckte sie für ihr geheimes Zeichen die Finger durch das Gitter. Er verstand, was sie wollte, und legte seine glatten Fingerkuppen gegen ihre winzigen Fingerspitzen: kleiner Finger auf kleinen Finger, Daumen gegen Daumen.
    Da öffnete sich plötzlich die Tür zur Calle, und der Kopf mit der Tonsur tauchte auf. «Corradino, wie oft muss ich Euch noch sagen, dass Ihr Euch nicht in der Nähe meiner Mädchen herumtreiben sollt? Hat denn so das ganze Unheil nicht erst begonnen? Leonora, geh zurück zum Orchester, wir wollen anfangen.»
    Nach einem letzten Blick war Leonora fort. Corradino murmelte eine Entschuldigung und wandte sich zum Gehen. Doch als der Priester wieder in der Kirche verschwunden war, schlich sich Corradino zurück zum Waisenhaus und lauschte der Musik. Wie lieblich die Harmonie und der jubilierende Kontrapunkt doch waren. Es schnürte ihm das Herz ab. Corradino wusste, was geschehen würde, doch er wehrte sich nicht dagegen.
    Wenn sie das Glasherz in den Händen hält, hält sie mein eigenes Herz in ihren Händen. Er wusste, dass er Leonora vielleicht nie wiedersehen würde, also lehnte er sich gegen die Mauer der Kirche und ließ seinen Tränen freien Lauf.
     

Kapitel 4
    Hinter dem Spiegel
    Die Musik spielte noch immer.
    Nora saß in der Kirche Santa Maria della Pietä und versuchte, sich über ihre Gefühle klar zu werden. War sie verzückt? Nein, das war ein viel zu altmodischer Begriff. Verhext? Auch nicht, sie stand schließlich unter keinem bösen Zauber.
    Hierzu hat mich doch keiner gezwungen. Ich bin aus freien Stücken hergekommen.
    Sie warf einen Blick auf ihre unbekannten Sitznachbarn. Die Kirche war sehr voll. Die Frau links neben ihr, eine elegante ältere Dame, saß so nahe, dass ihr roter Ärmel auf Noras Unterarm lag. Aber das störte Nora nicht. Denn sie alle verband ja etwas, sie alle waren aus demselben Grund hier, und -ja, das war das richtige Wort - sie alle waren ganz hingerissen von der Musik.
    Antonio Vivaldi. Nora kannte seine wichtigsten Lebensdaten - ein rothaariger Priester, der Asthma gehabt, Waisenkinder unterrichtet und die «Vier Jahreszeiten» geschrieben hatte. Seine Musik hatte sie bisher jedoch nicht besonders beeindruckt. Für eine flippige Kunststudentin war sie viel zu kommerziell, nur dafür geeignet,   um in Aufzügen und Supermärkten bis zum Uberdruss heruntergedudelt zu werden. Aber hier, im warmen Kerzenschein,

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