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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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sie im venezianischen Dialekt angesprochen. Sie war selbst erstaunt gewesen, mit welcher Leichtigkeit sie in ihrem flüssigen Italienisch geantwortet hatte, das mittlerweile ebenfalls einen venezianischen Einschlag verriet. Sie war froh darüber, dass Bardolino dieses Lokal vorgeschlagen hatte. Es schien sich bei den Touristen noch nicht als Geheimtipp herumgesprochen zu haben. Plötzlich wurde ihr klar, dass er ihr damit auf seine zurückhaltende Art und Weise eine Freude machen wollte.
    Wenn er denn auftaucht.
    Doch darüber hätte sie sich keine Sorgen zu machen brauchen. Punkt drei trat er ebenso forsch und energisch, wie er sich auch in seinem Büro bewegt hatte, durch die Tür. Leonora war ein wenig überrascht, ihn in Jeans und Jackett zu sehen, denn seltsamerweise hatte sie    sich vorgestellt, er würde in seiner Uniform auftauchen. Doch auch in dieser Kleidung wirkte er noch so, als sei er einem Gemälde entstiegen - welches war es bloß? -, und zog die Blicke einiger speisender Damen auf sich. Während er sich Regentropfen aus den dunklen Locken strich, musste sich Leonora eingestehen, dass sie ihn sehr attraktiv fand.
    Ein winzig kleines Gefühl von Furcht regte sich in ihr.
    Er begrüßte sie, nahm Platz und winkte lässig einen Kellner herbei. Dann legte er sein Jackett ab und lehnte sich bequem auf der Bank zurück. Er besaß offenbar die Fähigkeit, es sich überall behaglich zu machen - wie eine Katze. Leonora musste über diesen Vergleich lächeln und wartete darauf, dass er das Gespräch eröffnete. Plötzlich fühlte sie sich wieder sicher. Nora fragte sich, ob er direkt zum Geschäft kommen oder sich zuerst in Nettigkeiten ergehen würde.
    «Warum trinken Sie Kaffee?»
    Leonora lachte. Seine Frage kam so überraschend, dass sie nichts darauf zu erwidern wusste.
    «Sie lachen mich aus», sagte er stirnrunzelnd.
    «Nein, aber warum sollte ich nicht Kaffee trinken? Verstoße ich damit gegen irgendeine gesellschaftliche Regel?»
    «Nein, das nicht. Ich habe mich nur gefragt, ob Sie ...» Er suchte nach dem richtigen englischen Wort. «Abstinenzlerin sind.»
    Leonora lächelte. «Nein, ich trinke auch Alkohol. Oft sogar. Nun ja, so oft nun auch wieder nicht, aber ein Gläschen Wein schmeckt mir schon.»
    «Gut.» Er grinste. «Due ombre, per favore.» Damit wandte er sich an den Kellner, der schon neben ihm wartete. «Was ist ein ombra?»
    Bardolino grinste. «Ein Schatten.»
    «Ich weiß schon, was das Wort bedeutet. Aber was für ein Getränk ist damit gemeint?»
    «Keine Angst, es ist bloß ein Becher Hauswein. Die Bezeichnung existiert hier schon seit Jahrhunderten. Im Mittelalter wurde der Wein in San Marco von Karren aus verkauft, und damit er kühl blieb, schoben die Weinhändler ihre Karren immer ein Stückchen weiter, um im Schatten des Campanile zu bleiben.»
    Der Kellner stellte die Becher auf den dunklen Holztisch. Leonora probierte den Wein und fand ihn köstlich, vermutlich hatte sein Geschmack durch die Erklärung noch gewonnen. «Ich liebe solche Geschichten! Aber seit ich hier bin, habe ich es nicht geschafft, auch nur einen Reiseführer zu lesen. Es kommt mir fast so vor, als sei ich hinreichend damit beschäftigt, alles aufzunehmen, was ich in Venedig sehe und erlebe.» Ihr Gegenüber nickte. «Sie haben recht, das geht vor. Solche Dinge erfährt man sowieso am besten von den Leuten, die hier leben.»
    Sie lächelte, erfreut darüber, dass er ihre Ansichten teilte. «Erzählen Sie mir mehr von diesem Lokal.»
    Er erwiderte das Lächeln. «Casanova pflegte hier einzukehren.»
    «Haben Sie deswegen das vorgeschlagen?»
    Das hätte ich nicht sagen sollen. Wie überheblich und ... taktlos. Ich benehme mich wie ein Schulmädchen.
    «Dachten Sie, es sei ein Wink mit dem Zaunpfahl gewesen?», fragte er amüsiert. «Eigentlich habe ich das Lokal wegen des Glases vorgeschlagen.» Er deutete auf den Spiegel, als er ihren verständnislosen Blick sah. «Er ist einzigartig. Dieser Doppelspiegel ist berühmt, weil er    seinerzeit der einzige Spiegel mit zwei völlig identischen Scheiben war. Ich dachte, das würde Sie interessieren, wo Sie doch auf Murano arbeiten.»
    Ich habe ihn falsch eingeschätzt. Habe ich jetzt durch meine vorlaute Antwort den ganzen Tag verdorben? Ob ich ihm von Corradino erzählen soll?
    «Signor Bardolino ...»
    «Um Himmels willen, nennen Sie mich doch bitte Alessandro.» Zum Glück schien seine gute Laune ungetrübt.
    «Es gefällt mir hier sehr gut,

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