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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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könnt sie mitnehmen.»
    Leonora. Er weiß von Leonora.
    «Ihr braucht Euch nicht sofort zu entscheiden», sagte die Stimme, als sich Corradino verwirrt abwandte. «Doch ich darf mich hier nicht länger aufhalten. Bleibt noch und redet mit Signor Baccia. Es soll alles wie eine normale Geschäftsverhandlung aussehen - er bestellt etwas bei Euch, und Ihr nehmt die Maße und tragt sie wie gewöhnlich in Euer Pergamentbüchlein ein. Dann fahrt Ihr zurück nach Murano und tut erst einmal gar nichts. Doch in Kürze wird Euer Meister Euch berichten, dass das Teatro Vecchio Euch den Auftrag für einen Kronleuchter erteilen will und dass Ihr Euch dafür in Venedig mit einem Maestro Domenico treffen sollt. Bei diesem Treffen werdet Ihr mich wiedersehen, dieser Maestro Domenico werde ich sein. Ich werde Euch dann die Wünsche des Königs übermitteln. Solltet Ihr nicht interessiert sein, schützt einfach Unwohlsein vor und schickt einen anderen zu dem Treffen. Dann werden wir Euch nie wieder behelligen.»
    Corradino spürte die Bewegung im Rücken, als der Franzose sich erhob. Während Duparcmieur seinen Umhang und die Maske anlegte, sagte er noch: «Denkt darüber nach, Corradino. Was seid Ihr der Republik Venedig schon schuldig? Warum solltet Ihr nicht ein neues Leben beginnen, in Frankreich, mit Eurer Tochter?»
    Sein Umhang rauschte, und er war verschwunden.
    Wie betäubt saß Corradino da und achtete nicht auf die Worte des Proprietario, der Anweisungen für einen Spiegel gab, der nie gefertigt werden würde. Später schob er sich wie ein Schlafwandler durch das Gedränge    von San Marco, wie immer gefolgt von seinem allgegenwärtigen Schatten. Er war so geistesabwesend, dass er beinahe zur Pietä gegangen wäre, um Leonora alles zu erzählen. Doch er kam gerade noch rechtzeitig zur Besinnung. Er konnte es nicht riskieren, solange die Schritte ihm folgten. Er durfte jetzt nicht alles verderben. Nicht gerade jetzt, wo Aussicht besteht, dass Leonora und ich zusammenleben können.
     

Kapitel 11
    Der Kaufmann von Venedig
    Kaum hatte Leonora Adelinos Büro betreten und sich auf dem ihr zugewiesenen Stuhl niedergelassen, spürte sie, dass etwas in der Luft lag. Zum einen versperrte ein großes weißes Flip-Chart den herrlichen Blick auf die Lagune, und zum anderen waren zwei weitere Stühle von einem ihr unbekannten, äußerst sonderbaren Pärchen besetzt. Adelino stellte sie Leonora als «Chiara Londesa und Semi von der in Mailand» vor. Als sie das Wort «Agentur» hörte, wusste Leonora, dass sie sich das Ausrufezeichen nicht eingebildet hatte. Die beiden waren in der Werbebranche.
    Argwöhnisch musterte sie die beiden Fremden, die sie ihrerseits beäugten, als sei Leonora ein Stück Fleisch in der Auslage eines Metzgerladens. Chiara Londesa hatte sich in ein kurzes T-Shirt gequetscht, das mit einer halbpornographischen Mangazeichnung bedruckt war.    Ihr dunkler Teint und die schlauen schwarzen Augen standen in krassem Gegensatz zu den raspelkurzen wasserstoffblonden Haaren. Ihr Kollege Semi, der keinen Nachnamen zu besitzen schien, sah noch merkwürdiger aus. Er war von Kopf bis Fuß wie ein vollendeter englischer Gentleman gekleidet - mit Norfolk-Jackett, sorgfältig geknotetem Schlips und auf Hochglanz polierten maßangefertigten Schuhen von Lobb. Als er sich ein wenig vorbeugte, bemerkte Leonora erstaunt, dass er zu allem Überfluss eine Taschenuhr mit Uhrkette trug. Sie musste sich das Lachen verkneifen.
    Inmitten des anhaltenden Schweigens stand Semi auf, umrundete Leonoras Stuhl und betrachtete sie von allen Seiten. Dabei strich er sich mit einer affektierten Geste über sein Kinn. In einem Ton, als böte er seine Tochter einem Sklavenhändler zum Verkauf an, ergriff Adelino das Wort. «Sehen Sie? Habe ich es Ihnen nicht gesagt?»
    Semi, der noch immer seine Kreise drehte, nickte. Für Leonora, die angesichts seines Outfits einen geschliffenen englischen Akzent erwartet hatte, war sein Italienisch ein kleiner Schock. «Si. Perfetto.»
    Perfekt wofür?
    Ohne Leonora weiter zu beachten, begannen Semi und Chiara sich rasch und angeregt in ihrem Mailänder Dialekt zu unterhalten. Aus dem Redefluss, der von lebhaften Handbewegungen begleitet wurde, konnte Leonora einige aufschlussreiche Begriffe heraushören. Zeitungsanzeigen. Interviews. Erst örtlich, dann überregional. Broschüren für Hotelgäste. Fototermine. Graphikskizzen. Bei diesem Wort ging Chiara zum Flip-Chart hinüber und

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