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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Prüfungen?»
    «In zwei Monaten. Wenn ich sie bestehe, bin ich selig.» Er trank sein Bier aus und betrachtete Leonora über die leere Flasche hinweg. «Und Sie? Was würde Sie glücklich machen? Sind Sie auf der Suche nach einem Bleikästchen oder einem neuen Paradies?»
    Leonora schlug verlegen die Augen nieder. Wieder einmal schien er ihre geheimsten Gedanken erraten zu haben.
    Sie betrachtete die Kerze auf dem Tisch und stellte fest, dass sie die gesamte Wachshülle von der Flasche entfernt hatte. Glatt und wie neu stand die grüne Flasche da, doch noch während sie sie anblickte, tropfte abermals ein wenig flüssiges Wachs von der Kerze und erstarrte zu einem milchig weißen Tropfen auf dem jungfräulichen Glas.
    «Nein, ich bin nicht auf der Suche», sagte sie schließlich.
    In dem Augenblick glaubte ich, was ich da sagte. Ich glaubte es, bis ersieh über den Tisch beugte und mich küsste. Harte Bartstoppeln, ein weicher Mund und ein schon fast vergessenes Feuer.
    Schweigend gingen sie durch die leeren Straßen. San Marco lag verlassen da. Die Nacht war kühl, doch in Leonora war ein Feuer entfacht. Alles schien zu schlafen, selbst die Tauben waren zur Ruhe gekommen, doch Leonoras Gedanken rasten wie aufgescheucht. Aus einem Impuls heraus, den sie sich selbst nicht erklären konnte, schlug sie ein paarmal Rad quer über eine Piazza. Die Sterne drehten sich über ihren Füßen, ihr Haar fegte über das Pflaster.
    Sie hörte Alessandro lachen. Leonora wusste nicht, was sein Kuss zu bedeuten hatte, doch was sie selbst fühlte, wusste sie genau.
    Eine große, ganz unsinnige Freude.
     

Kapitel 10
    Das Angebot
    Corradino schaute voller Befriedigung in seinen Doppelspiegel. Das wertvolle Stück hatte einen Ehrenplatz an der hinteren Wand der Cantina «Do Mori» gefunden. Der Glasbläser wusste genau, dass er gute Arbeit geleistet hatte -die Glasfläche war so glatt wie die Lagune an einem Frühlingstag, und die Winkel waren so makellos, dass noch nicht einmal sein kritisches Auge einen Fehler entdecken konnte. Er wandte den Blick ab, setzte sich auf eine der Sitzbänke und wartete. Corradino hatte noch niemals zuvor seinem Spiegelbild direkt in die Augen geblickt. Er wusste kaum, wie er aussah. Tag für Tag prüfte er irgendeine andere Glasoberfläche, ohne dabei sein eigenes Gesicht zu betrachten. Vielleicht fürchtete er sich ein wenig vor dem, was er dann sehen würde, oder er interessierte sich tatsächlich nicht für sein Aussehen, sondern nur für das Glas. Doch das waren Fragen, über die er nicht ausreichend nachdachte, um sie beantworten zu können.
    Er wusste nur, das Signor Baccia, der proprietario des «Do Mori», mit dem Spiegel zufrieden sein würde. Er fragte sich allerdings, warum man ihn noch einmal herbestellt hatte - die Wände der Cantina waren schon über und über mit Malereien und Spiegeln bedeckt. Baccia konnte sich eine solch prachtvolle Ausstattung seines Lokals, das schon vor zweihundert Jahren eine florierende Schänke gewesen war, leisten. Doch jetzt war er drauf und dran, zu viel des Guten zu tun. Corradino zuckte innerlich zusammen - noch mehr Spiegel würden den    ausgewogenen Eindruck seines einzigartigen Doppelspiegels verderben, dessen Flächen - wie Castor und Pollux - in vollkommener Harmonie erstrahlten. Corradino hatte kein gutes Gefühl bei dieser Sache, was noch von dem neumodischen Gebräu verstärkt wurde, das er gerade zu sich nahm. Er hatte sich noch nie für Kaffee erwärmen können.
    Davon verfaulen einem ja die Eingeweide. Ein gutes Glas Valpolicella hingegen -jederzeit.
    Endlich tauchte Signor Baccia aus einem Hinterzimmer seiner Cantina auf. Der rundliche Mann, nach neuester französischer Mode gekleidet, machte an einem Tisch halt, um einige Worte mit ein paar herausgeputzten venezianischen Matronen zu wechseln, die ein wenig unbeholfen nach dem letzten Schrei gekleidet waren.
    Baccia wirkt heute ein bisschen sonderbar.
    Normalerweise war der proprietario umgänglich und vergnügt, doch heute machte er einen nervösen Eindruck. Seine Freundlichkeit schien aufgesetzt, fast hatte man den Eindruck, er spiele Theater. Auch wenn er ein korpulenter Mann war, so schwitzte er doch ein wenig zu heftig für diesen kühlen Tag, und seine Augen wanderten hin und her, als fürchte er, verfolgt zu werden. Corradino fragte sich, ob er sich wohl mit den Zehn angelegt hatte und nun von einem Spitzel beschattet wurde. Was ihn selbst betraf, so gab sich Corradino keinen Illusionen

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