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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Leonora gleich zum Thema. «Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen über meine Familie stellen ... wenn Sie ein wenig Zeit haben.»
    Wieder lächelte der Professore. «In meinem Alter hat man eine Menge Zeit.» Er ging zu der Gruppe von Sesseln am Fenster hinüber und bot ihr einen Platz an, bevor er sich selbst niederließ.
    «Selbst auf die Gefahr hin, etwas mysteriös zu klingen», begann er, «muss ich gestehen, dass ich Ihren Besuch erwartet habe. Ich nehme an, Elinor weiß nicht, dass Sie hier sind.»
    Leonora schüttelte den Kopf. «Nein. Ich meine, sie weiß, dass ich in Venedig bin, aber nicht, dass ich Sie aufsuche.»
    Professor Padovani nickte und tippte mit den knotigen Fingern leicht auf die Krücke seines Stocks. «Ich verstehe. Zunächst einmal muss ich Ihnen sagen, dass ich nichts von dem preisgeben werde, was Elinor mir im Vertrauen mitgeteilt hat. Ansonsten werde ich versuchen, Ihnen zu helfen, wo immer ich kann.» Er schaute Leonora offen und erwartungsvoll an. Als er sah, dass ihre Finger nervös mit dem gläsernen Herz spielten, das um ihren Hals hing, umspielte seine Lippen ein wissendes Lächeln. Er ahnte bereits, in welche Richtung ihre erste Frage gehen würde. Und so war es dann auch.
    «Was wissen Sie über Corradino Manin?»
    «Corrado Manin war der beste Glasbläser seiner Zeit - oder sagen wir besser aller Zeiten. Er entging dem Massaker an seiner Familie und versteckte sich auf Murano ,    wo er die Kunst der Glasherstellung erlernte und schließlich ein maestro wurde. Besonderen Ruhm erlangte er durch seine Spiegel. Es heißt, dass das Quecksilber, das bei der Herstellung der Spiegel verwendet wurde, ihn am Ende umbrachte - wie so viele Glasbläser seiner Zeit.»
    «Er starb also auf Murano?»
    «Das weiß ich nicht genau. Aber es ist sehr wahrscheinlich.»
    Erleichtert atmete Leonora auf. Doch sie hatte noch etwas auf dem Herzen.
    «Haben Sie jemals davon gehört, dass er nach Frankreich gegangen sein soll?»
    Zum ersten Mal wirkte der Professor ein wenig verlegen. «Nun ja, ich habe den Artikel gelesen. Ihr Kollege scheint ja eine ganz schöne Wut auf Sie zu haben. Ich würde zu gern wissen, worum es sich bei der besagten handelt. Sie können ihn nicht zufällig fragen, oder?»
    «Es ist völlig ausgeschlossen, dass Roberto mir auch nur das Geringste erzählen würde, was Corradino entlasten könnte. Er ist so wütend auf mich, dass ich geradezu Angst vor ihm habe. Ich drehe mich schon dauernd auf der Straße um, ob er mir nicht irgendwo in einer dunklen Ecke auflauert!» Sie stieß ein kleines, nervöses Lachen aus. Ohne näher auf ihre Befürchtungen einzugehen, fuhr der Professor fort: «Und die junge Dame von der Zeitung? Könnte man die fragen?»
    frühen gemeinsamen Vorfahren. Das nennt man Simultanentwicklung.»
    Leonora hakte noch einmal nach. «Warum halten Sie es für unwahrscheinlich, dass Corradino nach Frankreich ging?»
    «Weil die Zehn, das oberste Gremium des Consiglio Maggiore, ganz und gar nicht damit einverstanden waren, dass ihre Künstler und Handwerker die Stadt verließen. Wagte es doch einmal jemand, seine Fähigkeiten in den Dienst eines fremden Herrschers zu stellen, dann drohte seiner Familie der Tod. Murano war praktisch ein Gefängnis, auch wenn ein berühmter und hoch begabter Künstler wie Corrado zuweilen die Erlaubnis erhielt, in die Stadt zu fahren, um dort seine Arbeit auszuüben.»
    An diesem Punkt drängte sich Leonora eine Frage auf. «Aber Professore, was hatten die Zehn denn gegen Corradino noch in der Hand? Seine ganze Familie war doch schon tot.»
    «Dazu müssen Sie wissen, meine liebe Leonora, dass eben nicht seine ganze Familie ermordet wurde. Ich verstehe zwar nicht allzu viel von Biologie, doch ich bin ziemlich sicher, dass es Sie als Nachfahrin nicht gäbe, wenn keiner von der Familie überlebt hätte. Corradino hatte eine Tochter.»
    Leonora presste ihr Gesicht in das feuchte Handtuch. Es war ihr egal, wie viele Studenten bereits ihre schmuddeligen Hände daran abgetrocknet hatten. Sie kam sich so idiotisch vor - wie eine Verrückte war sie urplötzlich aus dem Büro des Professors in den nächstbesten Waschraum gerannt und hatte sich dort in die Toilettenschüssel übergeben. Warum hatten seine Worte sie so erschreckt? Es war doch logisch, dass es zumindest einen Abkömmling von Corradino gegeben haben musste, sonst wäre sie selbst wohl kaum auf der Welt. Und auch das Glasherz hätte nicht weitervererbt werden

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