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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Leonora vielleicht weiterhelfen konnten, kritzelte sie eilig ihre Telefonnummer auf einen Zettel. Padovani überlegte gerade, ob sie wohl gehen würde, ohne ihn nach dem anderen Manin zu fragen, da sagte Leonora auch schon: «Und was ist mit meinem Vater? Kannten Sie ihn?»
    Der Professore schüttelte bedauernd den Kopf. «Wie das bei jungen Frauen, die verliebt sind, oft so ist, vernachlässigte    Elinor ihre Freunde zu jener Zeit ein wenig und stellte ihnen Bruno auch nicht vor. Ich erfuhr von seinem Tod durch eine Anzeige in der Zeitung.»
    Leonora schämte sich, dass sie sich vor lauter Interesse an Corradino nicht früher nach ihrem Vater erkundigt hatte, und fragte: «Lebt noch jemand von seiner Familie in Venedig?»
    «Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Elinor erwähnte einmal, dass Brunos Eltern in Verona wohnten, doch vermutlich sind sie längst tot.»
    Das war Leonora zwar bekannt, doch erst jetzt wurde ihr bewusst, welchen Verlust der Tod dieser Großeltern für sie darstellte. Sie schluckte. Nur mit Mühe hielt sie sich davon ab, diesen Gedanken weiter zu verfolgen und Padovani Fragen zu stellen, die er ihr sowieso nicht würde beantworten können.
    Als sie sich schließlich mit einem herzlichen Dank verabschiedete und Padovani versprach wiederzukommen, umarmte der Professore sie. Er zögerte, doch dann sagte er: «Morgen ist Allerheiligen, da ehren auch die Einwohner von Venedig ihre Toten. Falls Sie das Grab Ihres Vaters besuchen wollen, er liegt auf dem Friedhof San Michele. Auch ihm steht es zu, dass jemand um ihn trauert.»
    Leonora hörte neben dem leisen Vorwurf auch die Zuneigung, die in seinen Worten lag.
    Ich sollte wirklich sein Grab besuchen. Wir müssen uns endlich kennenlernen. Ich werde Alessandro bitten, mich zu begleiten.
    Gemeinsam traten sie auf den Korridor hinaus. Leonora schickte sich schon an, die Treppe hinunterzugehen, da rief der Professor sie noch einmal zurück.
    Sie drehte sich um. Padovani blickte sie offen an und sagte: «Es gibt Dinge, die ein alter Mann sieht und ein junger nicht. Geben Sie Acht auf sich.»
    «Das werde ich», antwortete sie verblüfft.
    Dann schloss sich die Eichentür, und Leonora lief die Treppe hinab.
    Ich möchte wissen, woran er es gemerkt hat.

Kapitel 21
    Die Insel der Toten I 
    Das Vaporetto der Linie 41, das zur Isola San Michele fuhr, ähnelte einem Blumengarten. An diesem Tag, an Allerheiligen, machten sich alle Venezianer zu dem Friedhof auf der Insel auf, um ihre Verstorbenen mit Blumen zu ehren, Leonora stand eingezwängt zwischen Alessandro und einer beleibten Matrone mit einem riesigen Strauß Chrysanthemen. Leonora starrte wie hypnotisiert auf die dicken, hässlichen Blüten, die einen stechenden, antiseptischen Geruch verströmten. Sie hatte diese Blumen noch nie gemocht - zum einen aus ästhetischen Gründen und zum anderen, weil sie sie stets mit dem Tod in Verbindung brachte. Man brauchte sich nur auf dem Boot umzuschauen, um festzustellen, dass Chrysanthemen als Grabschmuck in Venedig überaus beliebt waren.
    Leonora und Alessandro hatten das Boot von den Fondamenta Nuove aus genommen. Die roten Mauern und schmiedeeisernen Tore des Friedhofs waren von dort aus deutlich zu erkennen, so war es nur eine kurze Überfahrt. Dafür war Leonora sehr dankbar, denn bei dem Gedränge und dem Geruch von Motoröl und Chrysanthemen war ihr erneut übel. Sie schmiegte sich enger    an Alessandro, der ihr einen aufmunternden Kuss auf den Kopf gab - wie einem Kind, dachte sie. Sie hatte ihm zwar versichert, dass er sie nicht begleiten müsse, wenn er keine Lust habe, doch er hatte sowieso vorgehabt, das Grab seiner Großmutter zu besuchen. Sie wusste allerdings, dass das nur ein Grund für seine Anwesenheit war. Seinen Andeutungen hatte sie entnehmen können, dass er sie bei diesem ersten Gang zum Grab ihres Vaters nicht allein lassen wollte. Ein Gefühl der Dankbarkeit erfüllte sie. Wenn er bei ihr war, vertraute sie ihm so vorbehaltlos, dass sie sich fast einreden konnte, sie führten eine richtige Beziehung.
    Am Ufer angekommen, stiegen sie aus dem Boot und schoben sich mit der Menschenmenge auf die Friedhofstore zu. Alessandro dirigierte Leonora zu einem Stand, an dem man einen Übersichtsplan der Grabstellen kaufen konnte.
    «Die Anlage umfasst drei Friedhöfe», erklärte er. «Sie alle wurden schon immer von Franziskanermönchen unterhalten. Obwohl, wie du feststellen wirst, der römisch-katholische ein wenig sorgfältiger gepflegt

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